Die 1980er, oder: Spiele und Filme sind Schund! Die Anfänge der großen Welle und das Füllen des Giftschrankes
Anfang der 1980er waren Videospiele noch ein relatives Nischenprodukt und wurden selten mal von der BPjM mit einer Prüfung bedacht. Dies änderte sich schlagartig, als die ersten Videorecorder die Massen erreichte. Videotheken schossen wie Pilze aus dem Boden; denn nun war man nicht mehr auf Kinoleinwände angewiesen, sondern konnte sich seine Filme auch nach Hause holen, um diese in ruhiger Atmosphäre genießen.
Gleichzeitig gab es einige Filme, die zu der Zeit so brutal waren, dass die BPjM sich genötigt sah, einzuschreiten.
Tanzende Teufel und andere Bösartigkeiten
Wie manch einer weiß, begann Sam Raimi seine Filmkarriere nicht mit Spiderman aus dem Jahre 2002 und dessen Fortsetzungen, sondern schon in den 1980er-Jahren. Und einer seiner Streifen sollte einen regelrechten Kult nach sich ziehen. Auch bedingt durch Bruce Campbell (dessen Biographie If Chins could kill eine der besten Biographien ist, die ein Star je geschrieben hat) wurde Tanz der Teufel ein Klassiker des modernen Horrors und hat in Deutschland eine wahre Odyssee hinter sich. Von Beschlagnahmung nach §131 StGB (Gewaltdarstellung) zu Kürzung und anschließender Indizierung zurück zu Beschlagnahmung ist dieser Film der beste Beweis dafür, was hier in Deutschland im Namen des Jugendschutzes teilweise schief läuft.
Richtig losgehen sollte es allerdings im Jahre 1984. Hier wurde nicht nur Tanz der Teufel mit einer Beschlagnahmung bedacht, sondern auch noch einige andere Streifen. Die Vorhut war sozusagen eine Dokumentation, die nach heutigen Maßstäben betrachtet wirklich schlecht war; aber das gemeine Fußvolk hat es geschluckt und die BPjM wurde von Seiten der Politik mit großen Befugnissen ausgestattet.
Mama, Papa, Zombie oder: wie sich die Öffentlich-Rechtlichen einmischen mussten.
Man könnte nun natürlich eine ewige Erklärung zu dieser Dokumentation unter dem Titel Mama, Papa, Zombie liefern; oder man könnte sie, den modernen Möglichkeiten des Internets sei Dank, in einem Artikel einbinden.
Dies wollen wir jetzt mal tun; nach diesen 45 Minuten wird der aufmerksame Leser bestimmt ein wenig schlauer sein.
Man beachte die definitiv gestellten Reaktionen der Jugendlichen.
Hasta la vista, Uncut-Movie!
Nach dieser Doku begann die große Welle; und der (scherzhaft) sogenannte Giftschrank, also die Schränke der BPjM mit den indizierten Titeln, begann sich kontinuierlich zu füllen. Selbst Kleinigkeiten, über die die Jugend von heute nur lachen würde, führten zu einer Indizierung; insbesondere Action-Filme wurden sehr häufig mit einer Indizierung bedacht, welche allerdings im Laufe der letzten Jahre nach und nach aufgehoben wurden.
Wie manch einer vielleicht weiß, gilt eine Indizierung 25 Jahre lang; als Rechteinhaber hat man aber die Möglichkeit, ein vorheriges Aufheben der Indizierung zu beantragen. So kam es, dass viele Filme, die laut der BPjM in den 80ern verrohend und gewaltverherrlichend auf Jugendliche wirkten, heute mit der Alterseinstufung Ab 16 Jahren in den Regalen der Händler liegen.
Allerdings fragt man sich als aufmerksamer Film- und Spieleliebhaber nur:
Warum? Was war damals so schlimm daran und heute nicht mehr?
Dass der Weg von Filmen zu Spielen kein sonderlich weiter ist, sollte die BPjM sehr oft beweisen. Und auch wenn es in den 1980ern einige Titel gab, die ihren Weg in den Giftschrank gefunden haben (was heute teilweise unfreiwillig für Lacher sorgt), so sollte die BPjM in den 1990ern richtig loslegen. Und insbesondere ein Spiel sollte sich den Ruf erarbeiten, den Fokus auf die wachsende Brutalität und steigendem Realismus in Videospielen gezeigt zu haben.
Tödlicher Kampf oder: wie es ein Spiel schaffte, die Jugendschützer weltweit rotieren zu lassen
Videospiele genossen Anfang der 1990er Jahre noch den Ruf, softe Unterhaltung zu sein. Kinder und Erwachsene vergnügten sich mit Mario; Sonic; den Blöcken von Tetris; der Legende von Prinzessin Zelda, die mindestens ebenso dämlich war wie Mario’s Prinzessin Toadstool oder seine alte Freundin Daisy, weil sie sich immer wieder entführen lassen…
Alles war gut, könnte man meinen. Ein Unternehmen sollte allerdings ein Spiel auf den Markt bringen, welches schlagartig für Gesprächsstoff sorgte und gezeigt hat, dass Mario und Co. in manchen Augen zu kindisch waren.
Mortal Monday, Fatalities und andere Grausamkeiten
Anfang der 1990er war Street Fighter II die Wahl, wenn es um Beat’em Ups ging. Das Spiel besaß eine ausgewogene Balance; eine (teilweise widersprüchliche) Story, und Charaktere, die auch so etwas wie Coolness ausgestrahlt haben.
Street Fighter II, die Mutter aller Beat’em Ups.
Selbstverständlich gibt es da, wo Geld zu holen ist, auch Trittbrettfahrer; und da die meisten Beat’em Ups dieser Zeit ihren Ursprung in der Spielhalle hatten – wo sich ein Spieler auch so etwas wie Reputation und Anerkennung verdienen konnte – sollte sich ein Unternehmen mit ihrer Schöpfung über alle anderen stellen und Street Fighter II gewaltig Konkurrenz machen.
Kleiner Nebeneffekt ihrer Schöpfung war gleichzeitig, dass Jugendschützer weltweit ihnen den Krieg erklärten.
Midway Home Entertainment, Inc., die 1988 vom Spieleautomatenhersteller Williams übernommen wurden, dachten im Jahre 1991 darüber nach, ein Konkurrenzprodukt zum überaus erfolgreichen Street Fighter II zu entwickeln.
Anders als bei anderen Firmen dieser Zeit, die ihre Sprites noch gezeichnet hatten, sollten die Charaktere in ihrem Spiel realistisch wirken, und so wurde das Spiel Mortal Kombat mittels BlueScreen und digitalisierten Sprites realisiert. Die Technik dafür besaß Midway.
Gleichzeitig wurde überlegt, womit man sich von der Konkurrenz abheben konnte.
Und so kam, laut Ed Boon – einem der verantwortlichen Chefentwickler des Spiels – aus seinem Team der Vorschlag, etwas Grausames zu machen.
Wie manch ein Gamer vielleicht weiß, gibt es in beinahe jedem Beat’em Up die Situation, dass ein Gegner mitten im Kampf kurzzeitig regungs- und wehrlos ist.
Boon und sein Team legten diese Phase an das Ende des Kampfes, und nach einem tiefgeratenen Voiceover (Finish him!) sollte der Sieger mit einem Fatality genannten Move den Gegner anschließend töten. Ursprünglich war angedacht, dass Fatalities schwer zu erlernen waren; Boon und sein Team ahnten nicht, dass es am Ende wahre Schlachten darum gab, alle Fatalities zu erlernen und zu beherrschen.
Als das Spiel in die Spielhallen kam, machte es Street Fighter II gewaltig Konkurrenz; der Automat verkaufte sich zeitweilig besser als das Konkurrenzprodukt aus dem Hause Capcom.
Bis hierhin war noch alles gut; das Spiel machte sich in den Arcadehallen einen Namen; da diese aber meistens sowieso nur von Erwachsenen betreten wurden, griff hier noch keiner ein. Bis zum 13. September 1993, dem Mortal Monday.
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