Wolfenstein: The New Order – Test / Review

    Mit Wolfenstein: The New Order soll der mehr als 20 Jahre alten Spielserie wieder frischer Wind eingehaucht werden. Nach dem Disaster des wenig ruhmreichen Ablegers 2009 tut das auch bitter Not, um den Urvater aller 1st Person Shooter nicht von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Nachdem wir Wolfenstein: The New Order nun durchgespielt haben, können wir locker sagen: Bitte weiter so!

     

    Wolfenstein: The New Order ist für PC, Playstation 3, Playstation 4, Xbox 360 und Xbox One erschienen. Unser Test basiert auf der Spielversion für Playstation 4.

     

    Der totale Sieg

    Die Story gibt sich als schreckliches was-wäre-wenn Szenario. Wir finden uns im Jahre 1946 wieder in der Rolle des Soldaten Blazkowicz. Mit unserer Eliteeinheit stürmen wir eine Nazihochburg, der Weltkrieg soll damit die alles entscheidende Wende nehmen, aber das Unterfangen gerät so richtig schief. Schlussendlich werden wir vom wenig zimperlichen General Totenkopf gefangen genommen und dabei so schwer verletzt, dass wir erst viele Jahre später wieder aus dem Koma erwachen. 14 Jahre später zeigt sich für Blazkowicz die niederschmetternde Wirklichkeit, die Nazis haben die Oberhand behalten und die Allierten ihrerseits kapituliert. Als dann auch noch schwer bewaffnete Soldaten das Krankenhaus „säubern“, in dem auch Blaszkowicz gesund gepflegt wird, platzt ihm schließlich der Kragen und er flüchtet.

    In den folgenden rund 13 Stunden Spielzeit erleben wir einen tiefgehenden Hauptcharakter, der sich dem Widerstand in Berlin anschließt, deutsche Anlagen inflitriert und sogar in bester Iron Sky Manier eine Reise zum Mond unternimmt.

    Allein am letzten Satz erkennt man schon, dass die fiktive Fortführung des WW II jede Menge Freiräume für teils spektakuläre Imaginationen bietet. Trotz der herrlichen Übertreibungen an vielen Stellen des Spiels ist Wolfenstein: The New Order jedoch niemals albern oder bietet gar Slapstick. Im Gegenteil, den Entwicklern ist es gelungen, eine atmosphärisch dichte und beklemmende Szenerie zu erschaffen. Besonders deutlich wird dies in den zahlreichen Zwischensequenzen oder gescripteten ingame Passagen.

    Hier steht der innere Konflikt von Blazkowicz im krassen Gegensatz zum dem, wie er sich quer durch die Level ballert. Besagte Scriptpassagen stellen das Gemüt des Spielers oft auf die Probe, denn gelegentlich werden harte Entscheidungen abverlangt und mit der Darstellung von Gewalt wird ohnehin nicht gegeizt. Schon direkt nach dem Intro wir das deutlich, wenn die Soldaten verletzte Zivilisten im Krankenhaus mit vorgehaltenem Kissen gnadenlos einen Kopfschuss verpassen. Nein, zimperlich ging es in keinem Wolfenstein zu, so auch nicht in The New Order. Bei aller Brutalität scheint uns doch die Ausgewogenheit zwischen schnellen Actionelementen und ruhigen Zwichensequenzen passend, obendrein kann man die Zeit der kleinen Einspieler zum Verschnaufen nutzen.

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    Einer gegen alle

    Bei aller philosophischen Tiefe, die Blazkowicz bietet, so lässt er doch im eigentlichen Spielgeschehen die Waffen sprechen. Die Levelstruktur bietet fast immer verschiedene Herangehensweisen, die für einen reinrassigen Shooter erstaunlich gut funktionieren. Wer Schleichen und Stealth bevorzugt, Gegner also lautlos mit Schalldämpfer oder Messer erledigt, der kommt genauso auf seine Kosten wie derjenige, der beim ersten Feindkontakt das Feuer eröffnet. Erstere Methode bietet den Vorteil, dass Kommandanten  keinen Alarm auslösen und man folglich mit weniger Naziabschaum rechnen kann. In höheren Schweregraden macht das gelegentliche Schleichen auch deshalb Sinn, weil es hier durchaus mal knapp mit der Munition werden kann. Bis zur mittleren Schwierigkeitsstufe wird man immer ausreichend mit Kugeln versorgt. Zur Auffrischung liegen quer über die Map Medipacks und Rüstungsteile verstreut. Im Gegensatz zu modernen Shootern gibt es auch wieder eine echte Lebensanzeige – ganz wie im klassischen Wolfenstein eben.

    Überhaupt findet man unterwegs immer mal wieder dezente Anspielungen auf den Urvater der Serie, die darin gipfeln, dass man als Easteregg sogar das erste Level des indizierten Shooters nochmal spielen darf.

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    Waffen, wir brauchen mehr Waffen

    Wolfenstein: The New Order bietet Mechaniken eines Deckungs-Shooters, wobei das System nicht ganz perfekt funktioniert. Manchmal wollte Blazkowicz einfach nicht aus der Deckung heraus feuern, obwohl er perfekt positioniert war. Macht nichts, einfach hervor gehuscht und eine zweite Wumme ausgepackt. Tatsächlich kann jedes Schießeisen in doppelter Ausführung zum Einsatz kommen. Hier entfällt dann die linke Schultertaste zum Zielen, sondern bedient den Abzug. Klingt gut, macht auch Spaß, aber der Waffenwechsel über das Auswahlrad funktioniert zu zaghaft. Mit dem Dreieck-Button kann man zwar zwischen zwei vorab gewählten Waffen schnell wechseln, möchte man im Spiel aber auf eine weitere zugreifen, geschieht das über besagtes Radmenü. Im Eifer des Gefechts bedient sich dieses zu sperrig, zu ungenau.  Etwas schade fällt auch die Anzahl an Ballermännern aus, ein paar mehr wären durchaus schön gewesen. Immerhin dürfen wir einige Wummen aufmotzen, sofern man die benötigsten Upgrades eingesammelt hat. Wenn ein MG dann mit einem Raketenwerfen aufgerüstet wurde, ist es auch fast schon wieder vergessen, dass die Anzahl an Waffen ziemlich mau ausfällt.

    Apropos Upgrades: Je nach spielerischer Vorgehensweise entwickelt sich auch der gute alte Blazkowicz weiter. Erledigt man beispielsweise eine gewisse Anzahl an Gegnern mit Schalldämpfer, erhöht sich der Schaden der Waffe. Das vielschichtige Upgradesystem motiviert, die vordefinierten Anforderungen zu erfüllen, um aus unserem Held eine kleine Kampfmaschine werden zu lassen. Außerdem findet man im Spiel sogenannte Enigma Codes, durch deren Lösung man weitere Features freischaltet.

     

    Futuristische Panzernazis

    Das Design der Gegner ist ziemlich abgefahren und wirkt wie aus einem Guss. Vom Soldaten, über den bissigen Panzerhund bis hin zum schwerbewaffneten Mech finden wir alles, was das fiktionale Herz begehrt. Die gegnerische KI variiert recht stark. Manchmal bringen uns die von Deckung zu Deckung eilenden Soldaten in echte Bedrängnis, manchmal stehen sie aber auch nur dümmlich rum und mutieren zu Schießbudenfiguren.

    Bereits im Vorfeld war klar, dass Wolfenstein: The New Order bei uns nur in geschnittener Version auf den Markt kommt. Während am Gewaltgrad nicht geschraubt wurde, sind natürlich alle verfassungsfeindlichen Symbole ersetzt worden. Der Stimmung tut das nicht viel ab, die Atmosphäre ist auch so sehr stimmig, dicht und teils wirklich beklemmend.

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    NextGen?

    In Wolfenstein: The New Order kommt die id-Tech-5-Engine zum Einsatz. Neue Maßstäbe setzt diese nicht, trotz der vielen ansehnlichen Effekte, z.B. bei Licht/Schatten, Rauch und Explosionen. Sicherlich aber sieht alles sehr authentisch  aus, obwohl man gelegentlich über matschige Texturen stolpert. Gerade die zahlreichen Poster und Karten in den Innenräumen wirken bei genauem Hinsehen zu grobkörnig. In weitläufigen Außenarealen fällt dagegen kaum ein Negativpunkt auf. Hier und da lässt sich die Umgebung mit ausreichender Feuerkraft in ihre Einzelteile zerlegen, Deckungen von Gegnern lösen sich so in Luft auf. Wirklich störend ist die Tatsache, dass Munition und Rüstungsteile manuell und nicht automatisch eingesammelt werden. Man ist oft mit wildem Drücken der Viereck-Taste beschäftigt, um einen gesäuberten Bereich nach Items abzugrasen. Das und die Tatsache, dass viele der Beschriftungen im Spiel in Mikroschrift verfasst wurden und man beide Augen weit aufreißen muss, um etwas lesen zu können.

    Auf die Ohren gibt es einen feinen dynamischen Soundtrack, der sich vorbildlich am Geschehen auf der Mattscheibe orientiert. In den ruhigen und gedankenschweren Cutscenes wird die Melancholie durch sanfte Klavierakkorde unterstrichen, während in den Kampfsequenzen deftige Gitarrenriffs zum Zuge kommen. Die Synchronsprecher erledigen einen wirklich guten Job und verkörpern ihr alter ego realistisch. In der deutschen Spielversion fehlt der O-Ton, wahrscheinlich fallen auch dort ein paar Sätze, die der Zensur zum Opfer fielen. Einziger Kritikpunkt bei Sound ist die unausgewogene Abmischung, so dass das gesprochene Wort oft im Effektfeuerwerk komplett untergeht.

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    Fazit

    ChristophFazit zur PS4-Version:

    Juchu, Wolfenstein lebt noch! 2009 haben wir die Hände über den Kopf zusammengeschlagen aber jetzt klatschen wir Beifall. In einer Zeit, in der Shooter zu einer Art Einheitsbrei mutieren, schafft Wolfenstein: The New Order den Absprung und glänzt mit überarbeiteten Features, die nicht unbedingt neu, aber unverbraucht wirken. Und das macht Spaß, teilweise sogar sehr großen Spaß. Großes Lob verdient auch das Design vom Hauptcharakter Blazkowicz, der ausgesprochen viel Tiefgang bietet, was man so von einem rassigen Shooter nicht gewohnt ist. Wolfenstein: The New Order bietet ein gutes Maß an nachdenklicher WW II Fiktion, Action und lässt trotz der bissigen Gewalt allerhand Platz für spielerische Freiheiten. Und dann macht es auch gar nichts, dass das Spiel nur geschnitten erscheint. Bitte weiter so im Text!

    Endwertung PS4: 82%

     

     

    GustavFazit zur PC-Version:

    Wolfenstein is back! Mit The New Order bringt Bethesda einen klassischen und sehr coolen Shoooter auf den Markt, der es in sich hat. Technisch unterscheidet sich die PC-Fassung nicht groß von der Konsolenfassung. Wobei man erwähnen sollte, dass die Grafik nur leichte Unterschiede aufweist und die Auswahl der Waffen bequem per Mausrad funktioniert. Aber Grafik ist nicht alles, denn The New Order ist zwar grafisch kein Meilenstein, bietet dafür jedoch super Gameplay und Tiefgang.
    Blazkowicz reist uns in diesem Shooter in die fiktive Welt der Nazis nach dem zweiten Weltkrieg und wir sind wie gebannt von der Darstellung der neuen Weltordnung. Man will gar nicht mehr aufhören.
    Kurz gesagt: Wolfenstein ist ein geiler Shooter mit vielen klassischen Elementen, ein Muss für jeden Shooter-Fan. Einige Publisher und Entwickler sollten sich hiervon vielleicht eine Scheibe abschneiden. Daumen hoch!

    Endwertung PC: 86%

    Wolfenstein

    Christoph
    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur