This War of Mine – Test / Review

    Ui, zur Abwechslung bekommen wir mal wieder ein Spiel mit Weltkriegs-Szenario präsentiert. Aber bevor jetzt jemand anfängt zu Gähnen: This War of Mine ist anders. Und zwar völlig anders, wie wir im folgenden Test zeigen werden.

     

    Üblicherweise spielen sich Spiele im Weltkrieg immer aus Sicht des Militärs. In Shootern erledigen wir in bester Rambo-Manier im Alleingang Dutzende von Gegnern, während man im Genre der Real Time Strategie (RTS) als Hand von oben seinen Einheiten den Angriffsbefehl erteilt. This War of Mine spielt ebenfalls im Krieg, beleuchtet allerdings die Sicht aus der der Zivilisten. Die werden nämlich fast immer in den Hintergrund gerückt, wenn nicht sogar völlig außen vor gelassen. Das dachte sich wohl auch die polnische Spieleschmiede 11 Bit Studios, die This War of Mine unter der Flagge von Deep Silver entwickelt haben.

    Es ist in der Tat ein ganz anderer Ansatz eines Spiels mit bekannter Szenerie. Die Not, das Elend und die Auswirkungen eines Krieges auf die Bevölkerung ist nicht nur ein frischer Wind für den Spieler, sondern funktioniert als Blaupause hervorragend.

    Zum Spielstart werden uns drei Protagonisten als kleine Gruppe zugeteilt. Das Spannende an der Zusammensetzung ist nicht nur die Tatsache, dass es bei jedem neuen Start eine andere zufällige Minigruppe gibt, sondern auch, wie sehr man mit seinen Gruppenmitgliedern mitfiebert. Die Palette an Zivilisten ist dabei enorm breit gefächert: Von der Krankenschwester, über den Hausmeister, hier ein Lehrer, dort ein Koch, bis zum Sportler. Das ist nur ein Beispiel für das vielfältige Spektrum an möglichen Protagonisten. Wie viele es insgesamt sind, wissen wir nicht, aber nach nunmehr 3 Durchläufen hatten wir keine einzige Person, die sich wiederholte. Für die Langzeitmotivation ein riesiger Pluspunkt!

    Denn jeder einzelne Zivilist kommt nicht nur mit einem kleinen Lebenslauf daher, sondern eben auch mit einem Beruf und besonderen Fähigkeiten. Ein Koch etwa ist in der Versorgung unschlagbar, während andere das Feilschen in Perfektion beherrschen. Sportler etwa sind im Vergleich ziemlich flinke Gesellen, können also unter Umständen auch in kurzen Zeiträumen mal schnell in einen anderen Unterschlupf sprinten und dort etwas erledigen. In seinem Dreiergespann muss man sich anfangs etwas zurechtfinden, man muss sich einen Plan überlegen und die Fähigkeiten möglichst geschickt zum Vorteil der Gruppe ausspielen.

    This War of Mine kann man grob in zwei Abschnitte einteilen: Den Tag und die Nacht. Der Tag (zwischen 06:00 Uhr und 20:00 Uhr) dient der eigenen Gruppenversorgung. Im Unterschlupf durchforsten wir jeden Winkel nach brauchbaren Materialien. Diese findet man in der Regel auch immer recht zügig, so dass man schon bald über die ersten Holz- und Metallstücke, Batterien und sonstigen Elektrokram verfügt. Zur direkten Verwertung eignen sich natürlich Nahrung und Getränke am besten, denn ohne diese werden schon bald die ersten Personen krank oder schwächeln in ihren Eigenschaften. Schon früh im Spiel kommt aber der erste Kniff. Dank der hervorragenden Charakterbeleuchtung ist dem Spieler die Gruppe früh ans Herz gewachsen, doch schon bald steht man vor der ersten Herausforderung. Die gefunden Materialen reichen nämlich bei weitem nicht aus, um den Bedürfnissen aller drei Charaktere gerecht zu werden – also muss man sich entscheiden. Das hat eigentlich immer zur Folge, dass eine Figur benachteiligt wird und führt besonders im späteren Spielverlauf dank der Figurenbindung zu teils extremen Gewissenskonflikten. Im schlimmsten Falle kann es nämlich passieren, dass ein Charakter erkrankt oder gar stirbt. Während man ersterem durch entsprechende Medizin wieder auf die Beine helfen kann, ist der Zivilist im letzteren Fall unweigerlich aus dem Spiel.

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    Am Anfang bietet der Unterschlupf noch viele Möglichkeiten, die aber stetig schwinden

     

    Hunger ist eines der größten Probleme, die man in This War of Mine zu bekämpfen hat. Daneben stehen andere Leiden wie Müdigkeit oder Krankheit gerne im Fokus des Geschehens. Tagsüber muss man also immer dafür sorgen, dass man die Wehwechen seiner Genossen in den Griff bekommt. Neben dem Durchforsten von Räumlichkeiten ist der effektivste Weg der Handel mit anderen Überlebenden. Diese kommen per Zufall bei uns im Unterschlupf vorbei, bieten ihre Waren an und fordern im Tausch entsprechende Gegenwaren. Und auch hier hat man den permanenten Gewissensbiss, wem welche Materialien denn helfen und wem eben nicht. Schlimmer wird es dann, wenn wir um Aufnahme gebeten werden. Lassen wir den armen Menschen in unser Haus? Und wenn ja, wie sollen wir ihn denn versorgen, wir bekommen ja schon kaum unsere 3 anderen Figuren in den Griff? Aber ich kann ihn doch nicht in diesem erbärmlichen Zustand wieder vor die Türe setzen, denn das wäre sein sicherer Tod… Und genau das ist er, denn nichts in diesem Spiel ist gewisser, als der Tod.

    Nach 20 Uhr bricht die Nacht herein, aber an Schlafen ist nicht zu denken. Das zumindest sollte man tagsüber bedacht haben und den potentiellen Nachtschwärmer tagsüber auf die Matraze schicken. Wenigstens eine Person sollte man immer für die Nachtwache aufstellen, denn sonst könnte unser Haus im Nu geplündert werden. Darüber hinaus können wir in der Kartenplanung für jedes Mitglied einen anderen Auftrag einteilen. Bewachung und Schlafen sind die Mittel der Wahl für den Start, später muss man für das weitere Überleben andere Strategien finden. So erkunden wir Schritt für Schritt neue Orte und kundschaften sie nach brauchbaren Materialien aus. Glücklicherweise hilft die Übersichtskarte, auf der alle Orte inkl. Rohstoffen angezeigt werden. So kann man sich seinen Plan zurechtlegen und erkundet nicht ins Blaue hinein.

    Eher früh als spät im Spiel muss man sich an die erste Plünderung wagen. Die Planung muss gut durchdacht sein: Wer ist am besten für den Beutezug geeignet und welches Equipment benötigt er? Man muss stark abwiegen, auf welches Pferd man setzt, denn unser Zivilist kann nicht unendlich viel Gepäck mitnehmen. So muss u.U. ein Beutel mit einem Brecheisen und einer Pistole reichen. Das Brecheisen zum Aufhebeln und die Pistole zum Selbstschutz, der restliche Platz wird benötigt, um anfallende Beute mit nach Hause bringen zu können.

    Und dann steigt plötzlich der Puls, wenn es an den Einsatz geht. Vergesst dabei nicht, dass ihr mitunter euren Charakter schon vor dem fast sicheren Hungertod, diversen Raubüberfällen und Krankheiten bewahrt habt. Und jetzt kann also ein falscher Schritt sein endgültiges Aus bedeuten. Im Zielhaus angekommen arbeitet This War of Mine mit einigen wenigen und eindeutigen Symbolen. So zeigt z.B. eine Hand, dass sich an diesem Ort ein brauchbarer Gegenstand befindet. Vorsicht ist bei roten Kreisen geboten, hier wurde eine Bewegung ausfindig gemacht – es befindet sich also noch mindestens eine weitere Person im Haus. Und ob diese auch einfach nur plündern will, uns gut oder feindlich gesonnen ist oder ob es sich um den Hauseigentümer handelt… tja, das weiß man einfach nicht. Im Falle einer Konfrontation sollte man fast immer schleunigst das Weite suchen, denn schon die kleinste Verletzung kann ohne entsprechende Medikamente im Unterschlupf ein böses Ende bedeuten.

    Grafisch setzt This War of Mine auf eine unspektakuläre, aber sehr stilvolle und dichte Umgebung. Das bleiche Schwarz und Weiß mit nur wenigen Farbakzenten schafft ein beschwerliches und düsteres Erscheinungsbild, dass zur Brutalität des Krieges passt. Der ebenfalls minimalistische Sound unterstreicht in allen Belangen den abenteuerlichen Überlebenskampf.

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    Es stimmt den Spieler tief traurig, wenn ein Charakter stirbt

     

     

    Fazit

    Selten haben wir in einem Anti-Kriegsspiel eine so hohe Identifikation mit den Hauptfiguren erlebt, wie in This War of Mine. Was anfangs noch nach einem wirren Haufen Nonames aussieht, ist binnen weniger Minuten ans Spielerherz gewachsen und man hat Namen, Beruf und Fähigkeiten aller Protagonisten sofort parat. Der Ansatz, ein Kriegsszenario mal aus einer ganz ungewohnten, aber sehr natürlichen Perspektive zu zeichnen, klappt erstaunlich gut und ist zugleich düster und erschreckend. Die vielen Entscheidungen, die immer eine Konsequenz mit großer Tragweite nach sich ziehen, sorgen für ein Klosgefühl im Hals und spätestens bei den Plündereinsätzen ist das Gefühl im Bauch mehr als flau. Dank der vielfältigen Zusammenstellung des Trupps ist der Wiederspielwert enorm. Ein Survivalspiel mit vielen Emotionen, gepaart mit der Garantie für eine hohe Pulsfrequenz – genau das ist This War of Mine. Kaufen!

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    Christoph
    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur