Auf ihr Freibeuter, hisst die Segel! Skull and Bones hat eine bewegende Entwicklungszeit hinter sich und wurde zuletzt überaus vollmundig angekündigt. Entsprechend hoch sind unsere Erwartungen an Skull and Bones, doch in vielen Teilen bleibt das Spiel hinter selbigen zurück. Hier im Test erfahrt ihr alles über Licht und Schatten von Skull and Bones.
Für diesen Test spielten wir Skull and Bones auf Playstation 5
Erwartungshaltung vs. Realität
Dass sich Videospiele in ihrer Entwicklungszeit verzögern – geschenkt. Dass sich Release-Daten auch mehrfach nach hinten verschieben können, auch daran haben wir uns gewöhnt. Skull and Bones hat die Mehrfachverschiebung fast schon perfektioniert. Da wurde uns vor runde 10 Jahren dieses massive Piratenspiel von Ubisoft angekündigt, alsbald schon folgten die ersten Videos. Und dann passierte lange Zeit einfach gar nichts, zumindest schien es so. Immer wieder wurde der Zeitpunkt zur Veröffentlichung verschoben, Probleme bei der Entwicklung und die Coronapandemie mit all ihren Folgen spielten Ubisoft wahrlich nie in die Karten.
Insofern kann man durchaus behaupten, dass Skull and Bones von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Und eigentlich sollte die Freude dann entsprechend groß sein, wenn es nach all den Hindernissen nun endlich zur Vollendung des Werkes kam. Dann jedoch meldete sich kurz vor dem Release vergangene Woche der Ubisoft-Chef Yves Guillemot zu Wort: Skull and Bones ist nicht weniger als ein Quadruple-A Spiel, also ein AAAA. Durch dieses unnötige Hochhängen der Messlatte hat er sich letztlich ein völlig sinnfreies Eigentor geschossen. Und in so manchem Spielabschnitt stellt man sich zurecht die Frage: Was hieran hat denn bitteschön 10 Jahre lang Entwicklungszeit gefressen?
Stützt das Ruder!
Die Vergleiche mit dem gefeierten Assassin’s Creed Black Flag muss sich Skull and Bones gefallen lassen. Die Parallelen auf dem Papier und die ursprüngliche Erwartungshaltung geben das buchstäblich her: Gleiche Spieleschmiede, ähnliches Szenario und eine Menge Zeit und Geld zur Entwicklung. Seid ihr für einige Stunden im Spiel abgetaucht, dann verschwinden diese mutmaßlichen Gemeinsamkeiten allerdings immer mehr. In Skull and Bones verbringt ihr nämlich kaum Zeit auf Inseln, diese großartig zu erkunden geht rein spielerisch gar nicht mal. Statt dessen steht euer Schiff im absoluten Fokus und ihr schippert die meiste Zeit quer durch den Indischen Ozean. Weniger Abenteuer, mehr Seegefechte, so könnte man es in aller Kürze auf das Nötigste herunterbrechen.
Aber da steht ja noch die Frage des Warums im Raum. Üblicherweise liefert die Hintergrundgeschichte immer den Grund des Daseins. In Skull and Bones wird die Story im ausführlichen Prolog (alias Tutorial) umrissen und ihr bekommt ein paar Häppchen dessen, was da um euch herum so alles passiert, geliefert. Wirklich mitreißend ist sie nicht, diese flache und oberflächlich erzählte Geschichte nicht und Ubisoft macht schnell klar, worauf der Fokus liegt: Auf dem knackigen Gameplay. Und so schließend wir den Kreis zum eingangs erwähnten Vergleich zu Black Flag. Bis auf das Setting kann man beide Spiele nämlich gar nicht miteinander in Relation setzen. Betrachtet man den Kern des Spiels und möchte unbedingt einen Vergleichstitel heranziehen, dann müsste dieser The Division sein. Dennoch sei auch dieser Vergleich mit etwas Vorsicht zu genießen, denn eins ist Skull and Bones wahrlich nicht: Ein Spiel mit Story. Das hier ist im Grunde eine Sandbox auf offener See, in der alle Figuren als Questgeber fungieren und euch eben nicht durch eine Geschichte manövrieren.
Craften für die Crew
Zum Start bietet euch ein recht generischer Charaktereditor die Gestaltung eures Piraten- Alter-Egos an. Männlein oder Weiblein, beleibt oder hager, frisch aus dem Ei gepellt oder zerfurchte Narben, man kennt es. Schon kurz darauf finden wir uns mitten in einer heftigen Seeschlacht wieder, die uns ohne ohne Umschweife rein in ein spektakuläres Schlachtengetümmel wirft. Wiederum kurze Zeit später wachen wir dann in einem Kutter auf – die Schlacht ging verloren und ab sofort müssen wir für uns selbst sorgen. Theoretisch steht ab diesem Moment die gesamte Spielwelt für euch offen. Praktisch macht es natürlich überhaupt keinen Sinn, mal eben quer über die Map zu schippern. Also immer schön der Reihe nach.
Mit Wurfspeeren wehren wir Haiangriffe ab, die uns in unserer Schaluppe ans Holzbein wollen. Wir sammeln erste Ressource, finden andere Piraten, nehmen erste Aufträge an usw. Und so wächst in Skull and Bones einfach alles sehr gemächlich, aber stetig. Womit wir wieder beim Kerngeschäft der Schiffskämpfe landen. Denn man sammelt Materialien und Rohstoffe natürlich nicht nur für Gold, sondern auch für neue Schiffe samt deren Aufwertungen. Hat man alles beieinander und besitzt die entsprechende Blaupause, können sich die Handwerker auch schon ans Werk machen. Kochrezepte sind, wie könnte es anders sein, ebenfalls mit von der Partie. Nur eine gestärkte und wohlgenährte Mannschaft trotzt den Gefahren der Meere. Ihr seht schon, dass es zahlreiche Sammelaufgaben gibt, die alle einem untergeordneten Ziel dienen. Das umfassende Crafting frisst Zeit, streckt die Spielzeit, motiviert aber auch, weil man die Auswirkungen per Verbesserung unmittelbar spürt.
Feuer frei
Während wir in Skull and Bones über die Meere schippern, stimmt die Crew zünftige Matrosenlieder an. Das Steuer immer fest in der Hand nutzen wir Winde und halten per Fernglas Ausschau nach anderen Schiffen unterschiedlicher (insgesamt sechs) Nationalitäten. Zusätzlich helfen natürlich der Blick auf die Karte oder die Zurufe des Matrosen im Krähennest, um stets den Überblick in der blauen Weite zu behalten. Generell sind wir recht fix unterwegs und ausnahmslos alle Schiffe steuern sich sehr direkt. Die Physik des Wassers ist prächtig und oft machen uns Stürme und Unwetter das Leben schwer.
Die Kämpfe selbst sind geprägt von unzähligen Explosionen, zündelnden Flammen, wuchtigen Explosionen samt Camera-Shake. Die Schwachstellen der Feinde werden uns rot markiert und sorgen für eine Extraportion Schaden, sofern wir sie auch treffen. Das ist gar nicht mal so leicht, denn zwar können wir aus allen erdenklichen Richtungen die Kanonen abfeuern, doch die Ausrichtung des Schiffs ist enorm wichtig. Außerdem müssen wir regelmäßig Segel setzen oder einholen und je nach Geschwindigkeit will die Mannschaft stärker versorgt werden. Und dann sind da ja auch noch die Einschläge gegnerischer Kanonen, deren folgliche Schäden repariert werden wollen.
Schade ist, dass die Schiffe immer nach einem ganz ähnlichen Muster sinken. Den atemberaubenden Schlachten wird so ein Stück weit die Glaubwürdigkeit genommen, zumal alle Klassen über differenzierte Schadensmodelle verfügen. Am Ende jedoch läuft es immer nahezu gleich ab: Landet ihr den finalen Treffer, gibt es eine bombastische Explosion und der Kahn sinkt auf den Meeresgrund. Hier wäre ein bisschen mehr Vielfalt schon ganz nett gewesen.
Klassen wie ein MMO
Zwischen den Schiffen wird grob in drei unterschiedliche Klassen unterschieden: Die Tanks halten viel aus, die Damage Dealer sorgen für größtmöglichen Schaden und die Supporter konzentrieren sich auf das, was eben Unterstützer so tun. Letztere Klasse wird allerdings nur dann so wirklich sinnvoll, wenn ihr Skull and Bones im Team spielt und nicht solo. Unterwegs begegnet ihr ohnehin immer wieder anderen Spielerinnen und Spielern, im Team dürft ihr dann zu dritt agieren. Nur hier kommen Unterstützer auf ihre vollen Kosten, im Soloplay solltet ihr euch nicht für diese Klasse entscheiden. Moment mal: Supporter in einem Schiffskampf mit Piraten? Das ist einer der doch ziemlich skurrilen Blickwinkel im Spiel, denn ja, ihr könnt Freunde und Verbündete mit heilenden Bomben beschießen, auf dass ihre Hitpoints wieder in den grünen Bereich wachsen. Lassen wir einfach mal so stehen.
Ein weiteres prominentes Beispiel dafür, dass hier so manche Spielmechanik nicht so wirklich zieht, ist das Ausweichen. Ausweichrollen oder in Deckung gehen gibt es hier natürlich nicht, aber irgendwie wollte man scheinbar nicht ganz grundsätzlich auf einen Dodge-Move verzichten. Und den gibt es dann auch im Spiel, in dem ihr der Mannschaft per Knopfdruck befehlt, sich schleunigst irgendwo festzuhalten. Kein Witz, ihr wendet Schaden vom Schiff ab, in dem sich die Matrosen ganz doll feste am Holt festhalten. Nun ja…
Entsprechend der jeweiligen Klasse bekommt ihr dann natürlich auch die passenden Waffen angeboten. Kanonen in allen erdenklichen Varianten sind Standardware. Je nach Gusto könnt ihr aber auch beispielsweise noch Flammenwerfer und Rammböcke ausrüsten, um im Nahkampf die Oberhand zu behalten. Besonders im Team könnt ihr die Vorteile der zahlreichen Waffentypen glänzend ausspielen. Nach gewonnener Schlacht ergattert ihr den Loot per Knopfdruck, also ganz genauso, wie ihr auch Siedlungen plündert. Auch hier hätte man mehr draus machen können, ein Entern der Schiffe fehlt gänzlich.
An der Oberfläche gekratzt
Nach rund 20h Spielzeit endet die Kampagne, wobei die Dauer dank der zahlreichen Nebenquests und Sammelobjekte noch gestreckt werden kann. Im Endgame angekommen winkt euch der Titel des Kingpin und somit ein eigenes Imperium. Diverse Machtoptionen tun sich auf, deren Fokus sich dann etwas weg von den Seeschlachten und hin zu Wirtschaftsoptionen verschiebt. Und weil wir nicht alleine in Skull and Bones unterwegs sind, sondern sich zig Spielerinnen und Spieler auf den Meeren tummeln, kommt es natürlich auch zu PvP Schlachten. Da im Lategame so ziemlich jeder die bestmöglichen Schiffe und Waffen besitzt, kommt es hier auf das Teamplay an und gut abgesprochenen Taktiken. Durch Siege kann man Sektoren erobern, die wiederum mehr Optionen innerhalb der Wirtschaft bieten. So oder so stehen am Ende des Kreislaufes noch mehr Waren und Goldmünzen.
Blickt man auf das Gesamtwerk Skull and Bones, so kommt man nicht drum herum, noch einmal die Grundfrage zu stellen. Was hat an diesem Spiel so lange Entwicklungszeit benötigt? Vielleicht hilft hier ein Blick in die Zukunft des Piratenabenteuers. Ubisoft hat bereits vier Seasons angekündigt, alle natürlich mit massiven neuen Inhalten. Game as a service in seiner reinsten Form also. Und man möchte hoffen, dass alle diesen neuen Inhalte dann die Tiefe bringen, die dem Spiel in seiner jetzigen Form fast völlig abgeht. Ja, die Seeschlachten sind wirklich unterhaltsam und klasse inszeniert, aber darüber hinaus ist vieles mehr Schein als Sein. Besonders die kaum begehbaren Städte und Siedlungen sind verschenktes Potential.
Immerhin klappt auf der technischen Seite alles so, wie es soll. Stimmungsvolle Umsetzungen konnte Ubisoft schon längst, Skull and Bones macht da niemandem etwas vor. Bei ein paar Inselbesuchen hingen wir an einem Felsen im Sand ungewöhnlich fest, aber sonstige Clippingfehler traten nie auf. Abstürze gab es nicht und das PvP klappt reibungslos, prima.
Fazit
Am Ende ist Skull and Bones ein doch recht liebloses Piratenabenteuer geworden, das eigentlich gar kein Abenteuer ist. Es ist viel eher ein Seeschlachten-MMO, das ganz deutlich auf die Inhalte im Endgame abzielt. Darauf arbeitet man quasi sein gesamtes Piratendasein im Spiel hin.
Es geht um immer mehr und immer besseren Loot, mit dessen Hilfe ich dann immer bessere Schiffe und Waffen bekomme. Ansonsten wirkt Skull and Bones uninspiriert, was dahingehend verwundert, weil eigentlich alle Zutaten auf dem Tisch liegen. Warum man sie nicht nutzte, beispielsweise ausgeschmückte Landgänge und einfach Mehr von Allem abseits des Schiffs, das bleibt uns ein Rätsel. Vielleicht lüftet Ubisoft dieses mit den kommenden Inhalten der anstehenden Seasons.