Far Cry 6 – Test

     

     

    Viva la Revolution! In Far Cry 6 erleben wir hautnah die Folgen einer gnadenlosen Diktatur und den Aufstieg der Rebellen. Alte Formel oder frischer Wind innerhalb der Spielserie? Das und alles Weitere erfahrt ihr hier bei uns im Test!

     

    Für diesen Test spielten wir Far Cry 6 auf Playstation 5

     

    Far Cry 6 Test – blutiges Paradies

    Warme Strände, saftig grüne Palmen und ein atemberaubender Sonnenuntergang. Das Leben hier könnte so schön sein. Tut es aber eben nicht. Schlimmer noch, es wird die Hölle auf Erden!

    Schuld daran hat der skrupellose Diktator Castillo, verkörpert durch Giancarlo Esposito. Ihr wisst schon, Guz aus der Serie Breaking Bad. Ein waschechter Badass mit aalglattem Charme, der mit dem Finger schnipst, ehe irgendein Noname eine Kugel in den Kopf gejagt bekommt. Stein des Anstoßes ist Viviro, ein Medikament gegen Krebs. Die Pflanze wird auf der Insel Yara angebaut und Castillo hat natürlich die Hand darüber. Und die Bevölkerung dient derweilen als Versuchskaninchen, denn wirklich funktionieren tut Viviro noch nicht. Nein, eigentlich funktioniert es noch gar nicht. Statt dessen drehen die, die es experimentell verabreicht bekommen, einfach komplett durch. Und sie sterben. Das müssen auch diejenigen aus der Bevölkerung, die sich weigern, beim Anbau mitzuhelfen. Leichen pflastern den Weg von Castillo.

    Den gut inszenierten Gegenpart nimmt sein Sohn Diego, gerade mal 13 Jahre jung, ein. Beharrlich weigert es sich, in die blutigen Fußstapfen seines Vaters zu treten. Innerhalb der Story sorgen Momente des Aufbegehrens immer wieder für aufflammende Spannung – nur um dann auch wieder schnell zu verpuffen. Im Ernst, aus dem Vater-Sohn-Verhältnis, eine Art Hassliebe letztlich, hätte Ubisoft deutlich mehr machen können. Vielleicht ist es aber auch Absicht, dass man den Spieler und die Spielerin ein wenig im Dunkeln tappen lässt. Vielleicht taucht Diego ja in einem späteren Far Cry Teil als neuer Bösewicht auf?

    Wir selbst spielen Dani, wahlweise eine männliche oder weibliche Figur. Einigermaßen unfreiwillig geraten wir urplötzlich zwischen die Fronten und finden uns in der Rebellengruppe Libertad wieder. Nach einigen Einsätzen steht jedoch fest, dass man gegen die schwer bewaffnete Armee keine Chance haben wird. Ein Plan muss her und der sieht so aus: Die anderen Rebellengruppen müssen vereint werden, denn nur als Einheit kann der Kampf gegen Castillo gelingen. Tja, aber wer könnte es denn schaffen, alle aufständigen Fraktionen unter einen Hut zu bekommen? OK, rhetorische Frage…

    Das Storytelling ist Ubisoft sehr gut gelungen. Cineastische Zwischensequenzen immer und immer wieder sorgen für den Hauch einer Blockbuster-Atmosphäre. Sie werden regelmäßig eingestreut und spinnen die Geschichte so weiter, dass man mit jeder Szene etwas tiefer in die Materie eintaucht. Dem Charakterdesign tut das richtig gut, denn nicht nur die Haupt-, sondern auch Nebenfiguren bekommen spürbar mehr Tiefgang. Einzig manche Nahaufnahme von Gesichtern weiß nicht 100%ig zu überzeugen.

    Jedenfalls kann man kann ihre ganz unterschiedlichen Motivationen für den laufenden Aufstand eigentlich immer nachvollziehen. Ihr werdet auf eurem Feldzug gegen Castillo und seine Truppen ganz unterschiedliche Rebellentypen finden und ihnen helfen. Dabei hält sich die Waage zwischen Grimmigkeit und Humor ziemlich im Mittel. Das passt zum gesamten Spielverlauf, denn trotz der ernsten Thematik gibt es auch immer wieder Passagen, die zum Schmunzeln einladen.

    Charaktere von Far Cry 6

     

     

    Regel 20: Einmal Guerilla, immer Guerilla

    Spielerisch betrachtet zeigt Far Cry 6 die bekannte Formel der Spielreihe und baut diese weiter aus. Kein Glück also für diejenigen, die neue Ansätze oder gar einen spielerischen Reboot erhofft haben. Bleibt also: Konntet ihr bisher mit Far Cry etwas anfangen, dann werdet ihr mit Teil 6 extrem viel Spaß haben. Umgekehrt heißt das natürlich, dass all die, die einen Bogen um die Reihe gemacht haben, auch diesen Teil nun links liegen lassen können.

    Mit bekannter Formel meinen wir das freie Erkunden der offenen Spielwelt, dem Erledigen der Storymissionen und das Erobern von Stützpunkten. Stetiger Begleiter sind natürlich wieder die unterschiedlichsten Waffen, die euch das Spiel an die Hand gibt. New Dawn hat bereits den kreativen Pfad für das Waffendesign gelegt, Teil 6 geht noch einen Schritt weiter. Dank Ressourcenknappheit auf Yara muss man eben improvisieren. Und dabei kommen teils irrwitzige, aber nicht minder effektive Ballermänner heraus.

    Die markanteste Neuerung sind die sogenannten Supremos, eine Art Waffenrucksack. Ist deren Angriff aufgeladen, kann man, je nach Art des Supremos, den halben Bildschirm in Feuer legen. Manche schießen mehrere Lenkraketen, andere erzeugen um euch herum einen Feuerkreis, wieder andere legend dank EMP die gesamte Technik im Umkreis lahm. Je nach Kampfsituation können euch die Gadgets im Rucksack nicht nur die Haut retten, sondern auch noch gleich extrem viel Schaden stiften. Ihr bekommt diese an Stützpunkten, wo ihr gesammeltes Uran (kein Witz!) gegen wertvolle Upgrades oder gänzlich neue Waffen eintauschen könnt.

    Gleiches gilt auch für eure anderen Handfeuerwaffen, von denen ihr stets vier mit auf den Trip nehmen dürft. Für gewöhnlich werdet ihr euch einen Mix aus unterschiedlichen Typen zusammenstellen. Die Seitenwaffe habt ihr ohnehin immer mit dabei, dazu gesellen sich dann Gewehre, MGs, Scharfschützengewehre usw. Außerdem könnt ihr gesammelten Schrott, Spraydosen und sonstigem Kleinkram sogenannte Impro-Waffen herstellen lassen. Diese sehen nicht nur funky aus, sondern lockern das gewöhnliche Waffenarsenal nochmals weiter auf. Flammenwerfer und Nagelpistole, here we come!

    3D Grafik 2021 Test

     

    Das übermächtige Gewehr

    Blickt ihr ins Menü und rüstet Dani aus, dann bekommt ihr vorab schon angezeigt, welche Waffen(typen) ihr noch freispielen könnt. Der Anblick erschlägt fast, die Entwicklerinnen und Entwickler haben ihre Phantasie frei austoben lassen. Für Sammler und Tüftler ein echter Schmaus! Dem Entdeckerdrang steht nur leider eine Sache im Weg, oder besser gesagt, eine Waffe. Schon sehr früh im Spiel findet ihr das MS16 Gewehr in der S-Variante (später kommt eine schlagkräftigere L-Variante dazu).

    Bei der erstbesten Werkbank könnt ihr diese Semi-automatische Waffe mit einem Zielfernrohr und einem Schalldämpfer ausrüsten. Mit dieser Kombo habt ihr eine echte Macht dabei, die euch im Grunde bis zum Spielende ein mehr als treuer Begleiter ist. Faktisch könnt ihr nur mit diesem Gewehr unbemerkt ganze Stützpunkte räumen und ihr braucht keine weiteren Hilfsmittel. Macht das Spaß? Ja! Aber es ist sicher nicht ganz im Sinne des Erfinders.

    Das führte bei uns zu einem völlig neuen Spielstil. Anfangs war es cool, durch die dichte Fauna zu schleichen, eine Anhöhe suchen, das Lager per Handy auszuspähen und Gegner und Alarmanlagen zu markieren. Mit dem MS16 wird das leider hinfällig. Man spaziert zum Outpost und erledigt einfach alle per gepflegtem Headshot, die einem vor die Flinte laufen. Sicherlich wird es hier und da auch mal brenzlig, aber wirkliche Probleme hatten wir mit dieser stumpfen Taktik eigentlich nie. Dem spielt die KI in die Karten, die leider wenig bissig und aggressiv agiert. Schwer wird es nur dann, wenn die Soldaten den Alarm auslösen und ein paar Truppentransporter wenig später auftauchen. Aber selbst in Gefechten, in denen euch 6-8 Mann gegenüberstehen, habt ihr ja noch den Supremo für alle Fälle. Ein paar Schüsse aus dem MS16, ein paar Raketen aus dem Rucksack, fertig.

    Review zu Far Cry 6

     

    Viel zu tun

    Neben Aufträgen und Stützpunkten könnt ihr euch auf den Inseln sehr freizügig austoben. Damit ihr nicht alle Wege per pedes erledigen müsst, stehen euch diverse Fortbewegungsmittel zur Verfügung. Auto, Trucks, Boot und Pferde, die jeweils mit Items geschmückt und verziert werden können. Aber nicht nur optische Aufwertungen könnt ihr verteilen, sondern auch Waffen wie z.B. ein Stand-MG lassen sich auf diversen Fahrzeugen montieren. Für lange Distanzen aus großen Anhöhen gibt es wieder den bewehrten Wingsuit, während ihr kurze Strecken auch gerne mittels Seilzug oder Enterhaken erledigen könnt.

    Einige der verfügbaren Verzierungsgegenstände erhaltet ihr über Fun-Events. In diversen Rennen brettert ihr über Asphalt und Trampelpfade, während ihr bei Schatzsuchen gute Kartenkunde beweisen sollt. Ihr merkt schon: Abwechslung wird in Far Cry 6 groß geschrieben. Es gibt sogar ein kleines Minispiel, eine Art Tower Defense, bei dem ihr Truppen spawnen und den Feind besiegen müsst. Ein weiteres wollen wir an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, weil es bereits Kontroversen im Netz ausgelöst hat. Stichwort Hahnenkampf.

    Dann doch viel lieber die zahlreichen Nebenmissionen absolvieren, die obendrein auch noch schicke Belohnungen in Form von Waffen oder Rüstungssets bieten. Geiseln befreien, Vorräte stehlen, all sowas eben. Die wohl interessante Art der Belohnung sind die tierischen Begleiter aka Amigos, die ihr stets an eurer Seite habt. Jedes von ihnen bringt eigene Boni mit sich und alle eignen sich hervorragend für hinterhältige und leise Angriffe auf die Armeesoldaten.

    Far Cry 6 Test Review game2gether

     

    Far Cry 6 im Grafik, Technik und Sound Check

    Machen wir es kurz: Yara ist eine Pracht! Grafisch gibt es hier absolut gar nichts zu bemängeln und wenn man das doch möchte, dann muss man ins Detail gehen. Oben hatten wir bereits die hier und da unschönen Gesichtsanimationen innerhalb der Cutscenes angesprochen. Ansonsten passt aber wirklich alles wunderbar zusammen und man kann hier einen fabelhaften Kurzurlaub in die Karibik buchen. Die angestrebten 60 Frames bleiben stets konstant und selbst bei großflächigen Explosionen mit unzähligen Leuchteffekten und Fragmenten gab es keine spürbaren Ruckler.

    Ziemlich beeindruckend unter dem Aspekt, dass die verwendete Dunia-Engine schon einigermaßen in die Jahre gekommen ist. Auffällig ist die mitunter hohe Anzahl an Zivilisten, die wir so bislang noch in keinem Far Cry Teil erlebt haben. Die Dörfer erwecken diese zum Leben und wenn dann noch hier und da Soldaten auftauchen und einzelne Passanten in die Mangel nehmen… ja dann sind das solche Momente, die den revolutionären Vorgang in der Spielwelt spürbar und allgegenwärtig machen.

    Ebenso gelungen sind die Sounds in Far Cry 6. Alle Waffen klingen unterschiedlich und je nach Typ auch mal mehr, mal weniger wuchtig. Die Stimmvertonung passt weitestgehend und ist lippensynchron. Nur selten gibt es Ausfälle wie bei der Begegnung mit eurem ersten Kontakt. Nämlich dann, wenn ihr ihn befreit habt und im Vollsprint Richtung Unterschlupft lauft. Die Stimmen hierbei sind ganz so, als würden die beiden gerade nebeneinander gemütlich einen Coktail schlürfen und nicht um ihr Leben rennen. Aber solche unpassenden Audios gibt es zum Glück nur sehr selten. Der Soundtrack im Hintergrund zeigt sich in dynamischen Spielsequenzen von seiner besten Seite. Dazu gesellen sich flotte und leichte Songs aus diversen Radios, die das mexikanisch-kubanische Flair punktgenau unterstreichen.


     

    Unser Test Fazit zu Far Cry 6

    Far Cry 6 ist ein wilder Zerstörungstripp in einer wunderschönen Spielwelt. Der Spielablauf geht gewohnt flüssig von der Hand und es gibt an jeder Ecke was zu tun. Die Nebenmissionen fügen sich passend ins Szenario ein und die Story schafft die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Humor.

    Einige Features sind leider eher oberflächlich. So gibt es zwar ein sehr reichhaltiges Arsenal an Waffen, letztlich kommt ihr aber mit ein paar wenigen komplett durch das Spiel. Auch die Schwächen der Gegnertypen für bestimmte Munitionsarten sind nur Makulatur: Headshot und fertig.

    Alles, was ihr im Spiel anstellt, macht ausnahmslos Spaß. Erwartet keine all zu großen Überraschungen. Far Cry 6 spielt sich wie ein alter Freund, den man schon lange nicht mehr so schick gesehen hat.

    Christoph
    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur