Enemy Front – Test / Review

    Was benötigt man wohl an Zutaten, um einen First Person Shooter im prominent besetzten Genre zu etablieren? Ein paar Überraschungen wären jedenfalls nicht schlecht, wie es etwa das kürzlich veröffentlichte Wolfenstein: The New Order (84% in unserem Test) vormachte. CI Games bringen mit ihrem Shooter Enemy Front ebenfalls eigene Ideen mit, jedoch scheitern diese ihrer konsequenten Umsetzung. Dabei ist Enemy Front gar kein schlechtes Spiel, aber irgendwie hatten wir schlussendlich das Gefühl, dass die Entwickler an den eigenen Ambitionen gescheitert sind. Etwas Halbgares eben – leider.

    Enemy Front wurde im Juni von CI Games veröffentlicht. Das Spiel ist für PC, Playstation 3 und Xbox 360 zum Preis von ca. 39,99€ verfügbar. Unser Test basiert auf der Spielversion für Playstation 3.

     

    Tausche Schreibmaschine gegen MP40

    Um das ganze mal ein bisschen aufzudröseln, fangen wir bei der Rahmengeschichte an. Robert Hawking heißt unser alter ego, in dessen Rolle wir in den nächsten rund 9 Stunden Spielzeit schlüpfen. Robert ist Kriegsberichtreporter und versorgt die ferne Heimat mit Informationen von der Front des Zweiten Weltkriegs. Als es dann aber zu einem Zwischenfall kommt und seine Kontaktperson entführt wird, tauscht er kurzerhand die Feder gegen das Schwert. Schnell schlägt sich Robert auf die Seite des Widerstandes und startet die Rettungsmission, bei der es ihn und uns quer durch Europa treibt.

    Nachdem es ja in den letzten Jahren etwas ruhiger um Shooter im WWII wurde, hatten wir etwas Angst, dass uns eine Art Renaissance von der Landung auf Omaha Beach und Co. bevorsteht. Glücklicherweise ist dem in Enemy Front nicht so, der Spielverlauf im Hinblick auf die unterschiedlichen Settings der Missionen ist sogar erstaunlich frisch. Enemy Front schickt uns in die weniger beleuchteten Szenerien der Kriegsjahre, etwa in die offenen Weiten von Frankreich oder mitten in den Aufstand im Warschauer Ghetto.

    Ein kluger Schachzug der Entwickler, denn einerseits bekommt der Spieler auf diese Weise ganz neue Aspekte des etwas ausgelutschten WWII Komplexes geboten, andererseits muss man sich somit auch nicht mit den Branchengrößen messen, die D-Day und Konsorten bereits zu genüge auf unsere Bildschirme verbannt haben.

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    Schleichen oder Schießen?

    Wenn wir unseren Blick Richtung Gameplay und Missionsgestaltung wandern lassen, dann hat sich seit der ersten Präsentation bewegter Spielszenen vor vielen Monaten einiges getan. Die ersten Videos ließen auf einen gradlinigen 0815-Shooter schließen, CI Games riss anschließend ziemlich schnell die Reißleine und Enemy Front wurde überarbeitet. So sehr wir die augenscheinlich gemachten Änderungen auch begrüßen, das finale Bild von Enemy Front zeigt zu viele unterschiedliche Ansätze und erledigt davon kaum einen überzeugend genug.

    Den besten Eindruck hatten wir vom seichten open world Setting der Missionen. Eine reinrassige offene Welt gibt es natürlich nicht wirklich, jede Mission spielt in einem gedeckelten Rahmen. Aber im Grund wird man zum Start jeder Mission an einem Punkt A ins Spiel katapultiert und bekommt einen Auftrag mit auf den Weg – das weitere Vorgehen liegt dann in der Hand des Spielers. Das Umgebungsdesign lässt hier viele Freiheiten zu: Gehe ich voll auf den Gegner drauf, versuche ich doch lieber die Wachen zu umgehen, verschafft mir die Anhöhe da hinten viellleicht eine gute Position zum snipern? Möglichkeiten gibt es wahrlich genügend, aber auch hier kommt deren Funktionalität zu wenig zur Geltung. Denn letztlich ist der gerade Weg immer der leichteste und nicht selten auch der sinnvollere. Also Waffen durchgeladen, hinter einer der manigfaltigen Deckungen verschanzt und Feuer frei. Und hier kommt dann gleich das nächste Stocken des Spiels, denn sobald uns die Wachen entdeckt haben und Alarm schlagen, kommen sie schön tröpfchensweise zu uns. Aus der Deckung heraus haben wir so ein sehr leichtes Spiel mit den Reichssoldaten, die dank dümmlicher KI nicht viel mehr Wert sind, als die vielbesagten Schießbudenfiguren.

    An diesem Punkt könnte man gegenargumentieren. Enemy Front beitet doch genügend Variation, um in Stealth-Manier im Feindgebiet zu operieren. Ein kleiner Warnkreis am unteren HUD dient hierzu als Indikator, wie sehr uns die Feinde auf die Schliche kommen. Auch hier zeigt Enemy Front gute Ansätze für ein erfolgreiches Schleichabenteuer, aber auch diesen fehlt es an Tiefgang und Nutzen. Positiv ist in jedem Falle das Ausnutzen von Umgebungsgeräuschen, denn dieses Feature kommt bei Shootern wahrlich zu selten zum Zuge. Wer eine gute Position besetzt hat und auf Explosionen oder Dröhngeräusche im Hintergrund wartet, der kann problemlos (bevorzugt mit dem Scharfschützengewehr) einen Gegner unbemerkt eliminieren. Alle anderen potentiellen Elemente, die zum verdeckten Vorgehen einladen, funktionieren deutlich weniger zuverlässig. Letztlich wird man ohnehin entdeckt und Enemy Front mutiert wieder zum hakeligen Shooter.

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    Maue Technik, leerer Multiplayer

    Auf der technischen Seite erleben wir mit Enemy Front ein ziemliches Mittelmaß. Die verwendete CryEngine sieht auf dem ersten sehr nett aus, sie zaubert ein farbfrohes Frankreich genauso sehenswert auf die Mattscheibe wie einen zerstörten Industriekomplex. In der Nahansicht von Texturen erkennt man dann sehr unschöne Konturen, besonders die Faune der Wälder und Wiesen ist sehr hart und kantig. Zwischendurch sind uns auch immer mal wieder Ruckler über den Weg gelaufen, wobei sich dieses Phänomen wohl nur auf die PS3-Fassung beschränkt. Leider haben die Entwickler nur eine unzureichende Waffenmechanik integriert, es gibt einen üppigen Pool an Ballermännern, aber viele davon fühlen sich absolut gleich an. Dazu zählt auch, dass kaum eine Waffe verzieht. Der Sound ist recht unaufgeregt. Mit einer zweckmäßigen Musik stets im Hintergrund vollbringen die Synchronsprecher eine Leistung, die irgendwo zwischen gut und hanebüchen liegt, was irgendwie ins Gesamtbild von Enemy Front passt.

    Der Multiplayer bietet derzeit drei verschiedene Modi: Death Match, Team Death Match und Funkübertragung. In zuletzt genanntem Modus ist das Ziel, vordefinierte Punkte zu erobern und zu halten. Alles in allem die genretypische Standardkost. Viel mehr hat der Multiplayer damit zu kämpfen, als dass sich recht wenige Spieler auf den Servern tummeln. Und das, obwohl das Spiel noch sehr jung in den Regalen steht, das sind keine rosigen Aussichten auf zukünftige Mehrspielerschlachten. Ein Matchmaking wird damit zur kleinen Geduldsprobe. Sobald die Runde dann aber gestartet ist, läuft alles rund und es gibt keine technischen Patzer.

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    Fazit

    Enemy Front will viel, schafft aber nur wenig. In der Tat zeigen sich viele gute Ansätze, die ihr Potential aber in keinster Weise ausschöpfen. Oft steht dabei die Technik im Wege und anstatt sich auf einen Wesenskern zu fokussieren, gingen auf diese Weise viele Ressourcen für viele halbgare Features flöten. Einige Elemente kennt man bereits aus anderen Spielen: Action slowmotion wie in COD, Stealth wie in Sniper Elite, Kill Cam wie aus dem hauseigenen Ghost Warrior. Von einem Ideenklau möchten wir zwar nicht reden, aber es ist schon symptomatisch, wie vollgestopft Enemy Front ist. Man hat durchaus den Eindruck, dass die Entwickler eine gute Portion Ehrgeiz und Enthusiasmus gepackt hatte, umso schader ist das finale Produkt, bei dem es zu nicht mehr gereicht hat. Einzig die interessanten Szenarien und vielen Möglichkeiten zum Vorgehen innerhalb einer Mission retten Enemy Front vor dem drohenden Untergang im Sumpf der Mittelmäßigkeit.

     

    Christoph
    Kind der 70er. Seit '84 Musiker, seit '85 Hobby-Jedi, seit '86 Zocker und seit 2011 hier Redakteur