A Highland Song Test / Review

    A Highland Song Banner

    Während unserem A Highland Song Test sind wir durch tiefe Schluchten gewandert, haben schneebedeckte Berge erklommen und jede Menge Geheimnisse gelüftet. Dabei versprüht das handgezeichnete Spiel einen ganz besonderen Charme.

    Normalerweise bin ich ein Completionist. Also ein Spieler, der einen Titel wie zum Beispiel Assassin’s Creed Mirage erst wieder aus der Hand legt, wenn alle Nebenquests abgeschlossen sind, alle Sammelgegenstände gefunden wurden und jede Trophäe freigeschaltet ist. Häufig hat das mit Spaß jedoch nichts zu tun. Es geht einzig darum, alles gemacht zu haben, was das Spiel zu bieten hat, 100% zu erreichen. Deshalb haben mich auch Sandbox-Games und Survival-Spiele nie sonderlich interessiert. Wie soll man dort bitte alles machen? Nein, danke!

    100% erreichen… entsprechend hatte ich mir das auch bei A Highland Song vom englischen Entwickler inkle vorgenommen. Um es vorwegzunehmen: Ich bin grandios daran gescheitert. Warum, erfahrt Ihr jetzt.

    Wir haben dabei die PC-Version von A Highland Song auf Steam getestet und mit einem X-Box Controller gespielt. Neben dem PC ist das Spiel auch noch für die Nintendo Switch erhältlich.

    Eine Reise voller Entdeckungen

    Teenagerin Moira lebt mir ihrer Mutter im schottischen Hochland. Hier gibt es jede Menge Berge, Schluchten und vor allem eines: raues Wetter. Eines Tages bekommt Moira einen Brief von ihrem Onkel Hamish, einem kauzigen Leuchtturmwärter. Der trägt seiner Nichte auf, so schnell wie möglich zu ihm zu kommen, denn ein besonderes Ereignis steht bevor: Beltane – der Sommeranfang.

    Moira, die noch nie weiter als bis auf den Hügel hinter ihrem Haus geklettert ist, macht sich ganz alleine auf den weiten Weg durch die Berge bis zum Meer. Während dieser Reise in A Highland Song werden uns über Rückblenden, alte Briefe und Postkarten und andere Wanderer und Bewohner der Gegend persönliche Geschichten erzählt und das Land und seine Leute nähergebracht. Auf diese Weise lernen wir gemeinsam mit Moira eine Menge über die Geschichte ihrer schottischen Heimat, die Menschen in ihrem Leben und natürlich über sie selbst.

    A Highland Song Moira
    Moira sitzt an ihrem Fenster. Von hier aus ist der Weg zum Meer weit.

    Durch diese Art der Erzählung, den speziellen britischen Humor und die dicken schottischen Akzente der Figuren wirken die Charaktere und ihre Geschichten unglaublich authentisch. An der ein oder anderen Stelle waren wir aber wirklich froh über die Untertitel.

    Handgemalt

    Mit Moira rennen, klettern und springen wir also durch die schottischen Hochlande. Denn im Kern ist das Spiel ein Platformer. Wer knallharte und komplizierte Parcours sucht, ist hier aber trotzdem an der falschen Stelle. Denn das Klettern und Springen in A Highland Song stellt selbst Laien vor keine große Herausforderung.

    Seinen besonderen Charme versprüht A Highland Song im Test sowieso an anderer Stelle. Nämlich durch seine handgemalten Charaktere und die Umgebung. Das Ganze erinnert optisch mit seinen unterschiedlichen Ebenen an ein Bühnenbild im Theater, bei dem verschiedene Pappaufsteller hintereinanderstehen und so den Eindruck von Tiefe vermitteln sollen. Wie bei anderen Platformern können wir uns von links nach recht bewegen und an manchen Stellen von einer Ebene zur anderen springen.

    A Highland Song Ebenen
    Mit seinen verschiedenen Ebenen vermittelt A Highland Song gelungen das Gefühl von großer Tiefe.

    Die Umgebung ist mit Steinen, Bäumen, Sträuchern und Felsvorsprüngen liebevoll gestaltet. Auch Tiere wie Vögel und Rehe kreuzen immer wieder unseren Weg. Hinzu kommen noch kleine Hütten, die uns als Unterschlupf dienen können und andere Objekte, wie Skilifte und Ruderboote. Alles fügt sich harmonisch in die Gesamtkulisse der Natur ein.

    Die Sonne zeigt sich nur selten. Die meiste Zeit auf Moiras Reise regnet es und der Wind pfeift uns um die Ohren. So stellt man sich doch das schottische Hochland vor! Während unserem A Highland Song Test konnten wir das teils ziemlich ungemütliche Wetter im Spiel förmlich spüren. Diese dichte Atmosphäre ist damit klar eines der Highlights des Spiels. Also: Kragen hochstellen, auch den obersten Knopf an der Jacke zumachen und los!

    Wo gehts denn hier zum Meer bitte?

    Auf Moiras Reise an die Küste können wir etliche verschiedene Wege wählen. Jeder davon hat seine Vor- und Nachteile. Denn auf allen können wir unterschiedliche Gegenstände entdecken und einsammeln. Die sind in A Highland Song von zentraler Bedeutung.

    Ganz ohne Navi

    Zum einen lassen sich durch geschicktes Einsetzen mancher Gegenstände an den richtigen Stellen neue Wege über die Berge freischalten. Zum anderen erzählen gefundene Briefe und Notizen die vielen Geschichten von A Highland Song. So beschreibt ein Verliebter seiner Herzensdame einen geheimen Ort, an dem sich beide treffen sollen. Oder eine alte Touristenbroschüre enthält Informationen über die sagenumwobene Geschichte der Umgebung. Und diese Informationen sind sehr wichtig für unsere Reise. Denn wir müssen sie also zur Navigation nutzen. Eine klassische Karte, die uns die Spielwelt und unsere Position darin anzeigt, gibt es in A Highland Song nicht. Eine echte Herausforderung!

    Einen Überblick der Gegend können wir uns allerdings immer nur auf dem Gipfel eines Berges verschaffen. Dann gleichen wir die gefundenen Kritzeleien mit unserer Umgebung ab und können Orte zur Orientierung markieren. Wo es jedoch zum Meer geht, können wir auch so nicht sicher herausfinden. Daher ist unser Trip durch das schottische Hochland immer eine kleine Irrfahrt.

    A Highland Song Navigation
    Mithilfe gefundener Notizen können wir von Berggipfeln aus verschiedene Punkte auf der Karte markieren.

    Durch die ganzen Briefe und Notizen, die wir auf unserem Weg finden, haben wir schnell einen beträchtlichen Haufen an Informationen gesammelt. Zum Glück ordnet Moira alle davon zum Nachlesen in ihrem Journal. So behalten wir den Überblick über bereits identifizierte Berggipfel und entdeckte Geheimorte. Auch die gefundenen Gegenstände – von einem rostigen Stück Stacheldraht bis hin zu einer Adlerfeder – sind hier aufgeführt.

    Wie viele Gegenstände Moira auf ihrem Rücken trägt, spielt übrigens keine Rolle. Sie finden alle in ihrem unendlich großen Rucksack Platz.

    Klettern, Springen, Durchatmen

    Die Navigation durch das schottische Hochland ist also nicht gerade einfach. Außerdem gibt es unglaublich viele unterschiedliche Wege, Berggipfel und Höhlen. Wollen wir rechtzeitig zum Sommeranfang am Meer sein, dürfen wir uns jedoch nicht unendlich viel Zeit lassen. Denn wir haben nur sieben Tage, um den Leuchtturm unseres Onkels zu erreichen.

    Der Tag-Nacht-Wechsel im Spiel erinnert uns daran, dass die Zeit unaufhörlich tickt. Ob wir also eine gefundene Höhle erkunden, einen Umweg zu einem interessanten Gebäude machen oder einen zusätzlichen Hügel besteigen, muss wohl überlegt sein. Vertrödeln wir zu viel Zeit, verpassen wir womöglich das angekündigte Ereignis.

    Wann die Tage zu Ende gehen, sollten wir auch aus einem anderen Grund immer im Auge behalten. Denn nachts in der Dunkelheit kann Moira nicht weiterwandern. Dann heißt es rechtzeitig einen möglichst geeigneten Schlafplatz zu finden. Denn nur durch Ausruhen oder Schlafen können wir unsere Ausdauer wiederherstellen, die wir durch Rennen und Klettern verbrauchen. Dabei erholen wir uns in einer Hütte deutlich schneller als im Freien unter einem Felsvorsprung. Bei Sonnenschein schneller als bei Regen.

    A Highland Song Schlafen
    Unter diesem Baum und bei Regen kann sich Moira nicht erholen. Ein trockener Unterschlupf wäre deutlich geeigneter.

    Moiras Stamina bestimmt, wie hoch sie klettern und wie lange sie sprinten kann. Geht ihr zum Beispiel an einem steilen Hang die Puste aus, rutschen wir unkontrolliert mit ihr in die Tiefe. Leider muss Moira sehr häufig stehen bleiben und Luft holen, um sich zu erholen. Das kann auf Dauer frustrierend sein. Denn der Spielfluss während unserem A Highland Song Test wird dadurch immer wieder ausgebremst. Stürzen wir aufgrund von Erschöpfung einmal, nehmen wir Schaden und unsere Lebensenergie verringert sich.

    Zu Beginn unseres Abenteuers ist der Lebensbalken noch recht klein. Allerdings können wir ihn im Verlauf der Reise durch bestimmte Aktionen vergrößern. Das erfordert jedoch einiges an Rhythmusgefühl.

    Pack die Fiedel aus!

    Denn an einigen Stellen auf unserer Wanderung erwarten uns Rhythm-Runs. Während Moira dabei zu schottischer Folk-Musik von bekannten Bands wie Talisk und Fourth Moon über Stock und Stein sprintet, müssen wir in den richtigen Momenten die richtigen Tasten drücken. Ähnlich wie in Rockband oder Guitar Hero. Schaffen wir das, ohne aus dem Rhythmus zu kommen, werden wir am Ende mit zusätzlicher Lebensenergie belohnt. Allerdings sind die Lieder rhythmisch durchaus anspruchsvoll. Ein 4/4-Takt ist eher die Ausnahme. Das macht diese Passagen reizvoll und herausfordernd.

    A Highland Song Rhythm Run
    Im richtigen Moment die richtige Taste gedrückt und Moira springt ohne zu stolpern über Stock und Stein.

    Wir waren am Anfang skeptisch, wie sich dieser Teil in den Rest des Spiels einfügen würde. Schließlich ist ein solches Arcade-Element ein echter Fremdkörper in der ansonsten eher realistischen Welt von A Highland Song. Doch die Runs fügen sich nahtlos ein und sorgen für Abwechslung. Außerdem tragen die ausgewählten Lieder sehr zur ohnehin schon tollen Stimmung des Spiels bei. Lediglich ein paar mehr Songs hätten es sein dürfen. Denn die wiederholen sich etwas zu häufig.

    Der Weg ist das Ziel

    Zwar ist das Erreichen des Leuchtturms pünktlich zum Sommeranfang unser offizielles Ziel, doch es gibt auf dem Weg dorthin einfach so unglaublich viel zu entdecken und zu erleben. Alles zu sehen und trotzdem rechtzeitig einzutreffen ist schlicht unmöglich. Und so muss früher oder später jeder eine Entscheidung treffen: Entweder die tolle Atmosphäre genießen, geheime Höhlen und Wege finden und die teils sagenumwobene Geschichte von Land und Leuten erleben. Oder eben pünktlich. Beides geht nun mal nicht.

    Wir haben uns während unserem A Highland Song Test (zumindest bei unserem ersten Durchlauf) für die erste Variante entschieden. Wir hatten so viel Spaß dabei, die Umgebung zu erkunden, interessante Orte zu entdecken und mehr über Land, Leute und vor allem über Moira und ihre Familie herauszufinden, dass uns ein rechtzeitiges Eintreffen am Leuchtturm irgendwann egal war.

    A Highland Song Charaktere
    Wer die geheimen Höhlen erkundet, bekommt sogar hier und da unerwartete Gesellschaft.

    Nur ohne Zeitdruck entfaltete das Spiel sein volles Potenzial. Lässt man sich ständig von der tickenden Uhr hetzen und versucht nur, den schnellsten Weg ans Meer zu finden, verpasst man viel von dem, was das Spiel besonders macht: die dichte Atmosphäre, die tollen Geschichten und das Gefühl, ganz alleine bei Wind und Wetter auf einem spannenden Abenteuer zu sein.

    Runde 2

    Doch selbst wenn man sich die Zeit nimmt, kann man in einem einzigen Durchlauf nicht alles erleben und finden, was es zwischen Hügeln und Tälern zu entdecken gibt. Die Tatsache, dass es unzählige Wege gibt und dass die Fundorte der Gegenstände von Durchlauf zu Durchlauf unterschiedlich sind, machen auch das zweite und dritte Spiel zu einem spannenden und frischen Erlebnis. Wie lange also ein Durchlauf dauert, kann sehr unterschiedlich sein. Wir haben beim ersten Mal fünf Stunden gebraucht. Ist man zielstrebiger als wir unterwegs, lässt sich der Weg ans Meer aber auch in zwei Stunden zurücklegen.

    A Highland Song Aussicht
    Wer sich die Zeit nimm, wird immer wieder Neues in der wunderschönen Landschaft von A Highland Song entdecken.

    Einzig die Tatsache, dass man aufgrund der fehlenden Karte und der riesigen Anzahl an unterschiedlichen Wegen schnell den Überblick verliert, kann etwas nervig sein. Wer es allerdings rechtzeitig bis zum Sommeranfang ans Meer schafft, auf den wartet mit Moira noch eine dicke Überraschung…

    Fazit

    A Highland Song ist ein atmosphärisches Schmuckstück für Abenteurer und Genießer. Wer persönliche Geschichten und die Natur liebt, wird hier seine Freude haben.

    Das Gameplay bietet mit seinen Kletter-und Sprungeinlagen jedoch keine großen Herausforderungen. Zusätzlich bremst das erforderliche Stamina-Management den Spielfluss aus und sorgt dadurch öfter für Frust. Auf der anderen Seite hält das Spiel mit seinen Rhythm-Runs eine unerwartete und sehr gelungene Abwechslung bereit.

    Das Herzstück bildet jedoch die dichte Atmosphäre des Spiels. Zu ihr tragen in gleichem Maße die handgemalte Optik und die schottische Folk-Musik bei. Auch die Geschichten, die mit authentischem Akzent vertont und teils sehr persönlich erzählt sind, haben großen Anteil daran.

    Vor allem wer die Muße hat, das schottische Hochland in Ruhe zu erkunden und dabei die Stimmung und die Geschichten auf sich wirken zu lassen, kann einige nette Stunden mit A Highland Song verbringen.

    Wir bedanken uns bei inkle für die Bereitstellung eines Review-Keys für unseren A Highland Song Test. Eine Einflussnahme des Entwicklers auf den Test hat nicht stattgefunden.

    Felix Krauth
    Seit 2017 in der deutschen Games-Branche unterwegs als Game Designer, Music Composer und im Project Management. In der g2g Games-Redaktion vor allem für News zuständig.