Andrzej Zawadzki, Senior Game Designer von CD Projekt Red – dem Team hinter der Witcher-Reihe – teilte kürzlich ein Bild auf Twitter, welches er selbst noch als “harmlosere Nachrichten” bezeichnet hatte.
Wie bekannt, wurde Cyberpunk 2077 noch einmal verschoben – nachzulesen hier – und manche Spieler – manche würden dazu auch Trolls sagen – neigen wohl gelinde gesagt zur absolute Übertreibung und Wahnsinn.
Die Frage, die sich einem hier wohl unweigerlich stellt, ist
Hat man euch eigentlich als Kind zu oft auf den Kopf fallen lassen?
Man mag ja durchaus dazu geneigt sein, gerade in der heutigen Zeit – bei all den Enttäuschungen, welche einem aufgrund der Maßnahmen bzgl. der Corona-Pandemie begegnen – sein Seelenheil im Release eines Videospiels zu sehen. Ablenkung, Freude; es mag ja alles nachvollziehbar sein. Aber: Beleidigungen oder gar Morddrohungen gegen Künstler und Entwickler sind ein absolutes No-Go.
Man fragt sich immer wieder: wieso?
Wake me up, when September ends
Als 1993 der Zugang zum World Wide Web für die breite Masse zugänglich war und sich viele Neulinge auch – dank geht hier an AOL – in den Usenet-Newsboards breitmachten, gab es den geflügelten Ausspruch “The September that never ended”, oder es war – und ist – auch vom Eternal September die Rede.
Vorher ging es im Usenet äußerst gesittet zu; ab September 1993 war es aber mit der Ruhe vorbei. Dumme Kommentare und Noobie-Fragen nahmen zu. Auch Beleidigungen und Bedrohungen nahmen immer mehr zu, ein simples “A****loch” ist wohl noch die harmlosere Variante.
Merkt man heutzutage auch beim Multiplayer in vielen Spielen mit Voicechat: ich denke jeder von uns hatte schon einmal den 12jährigen Neunmalklugen, der meinte, mit unseren Müttern den Akt vollziehen zu wollen (Anm. des Autors: meine Mutter würde den Jungen mal kurz eiskalt übers Knie legen!).
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Was viele nicht beachten: den Druck eines solcher Bedrohung. Keiner möchte seine Familie in Gefahr bringen; wenn man aber in der Öffentlichkeit steht – und viele Entwickler tun dies – dann sorgt man sich um seine Liebsten. Zusätzlich zum Leistungsdruck, dem sich viele Entwickler – und auch Privatpersonen – gegenüber sehen kommt dann noch die Angst hinzu, dass man bei einem Versagen damit rechnen muss, dass einem irgendein Spinner hinterherrennt, der einen am liebsten köpfen will, weil das Produkt – im Falle von Cyperpunk 2077 also ein Spiel – nicht passt oder es verschoben wird.
Auch Naughty Dog, die dieses Jahr mit The Last of Us 2 einen starken GOTY-Kandidaten auf den Markt gebracht hatten, sahen sich diesem Problem gegenüber…nachdem der Titel noch einmal verschoben wurde und das fertige Spiel einigen Usern nicht gepasst hat, gab es auch hier Drohungen bis hin zum “Ich bring euch um, wenn ihr das Spiel nicht ändert!”.
Noch einmal die Frage: Wieso? Wurdet ihr als Kind zu heiß gebadet?
Und als nächste Frage: kann man da nicht etwas tun?
Anonymität; Segen und Fluch
Problem an der ganzen Sache – auch heutzutage – ist die beinahe komplette Anonymität, die einem das Internet bietet.
Klar, ein Staatsanwalt und auch die Polizeibehörden haben ihre Möglichkeiten, an die Daten hinter einer IP-Adresse zu kommen, aber besonders in Zeiten von Facebook – welche zwar ein Meldeportal haben, dieses aber meistens ein schlechter Witz zu sein scheint und mehr bei Brüsten als bei Beleidigungen greift – nehmen Morddrohungen und Beleidigungen überhand.
Natürlich gibt es die Möglichkeit einer Anzeige, aber ob diese überhaupt weiter bearbeitet wird bei einer reinen Beleidigung ist fraglich.
Bei Morddrohungen sollte das eigentlich anders aussehen, aber wer mal mit so etwas zu tun hatte, braucht sich meist nur Presseberichte über Morde ansehen: es gibt eine Ansage; vielleicht eine Gefährderansprache; aber meistens geschehen solche Taten trotzdem, und am Ende heißt es “Man hatte keine Handhabe”. Ernsthaft?
Viele Täter – oder auch die Schwätzer im Voice-Chat – verstecken sich hinter der Anonymität, die ihnen das Internet bietet. Man gewinnt oft den Eindruck – wenn man die Täter dann mal hat – dass es sich hier um äußerst einsame Seelen handelt, denen das Leben – oft aus eigenem Verschulden – übel mitspielt und diese sich wenigstens hinter ihrer Tastatur als die coolen Helden fühlen, die sie in ihren Spielen verkörpern.
Fakt ist aber: Morddrohungen sind nicht ohne.
Und wir reden hier von einem Spiel.
Nicht von etwas, von dem das eigene Überleben abhängt; und auch wenn viele Gamer das vielleicht anders sehen mögen: es bleibt ein verdammtes Spiel und sollte mit dem realen Leben nichts zu tun haben.
Es ist Fiktion.
Warum dann eine Morddrohung? Wieso?
Man kann den Leuten von CD Projekt, Naughty Dog und all den anderen Studios, die mit diesem Problem zu tun haben nur das Beste wünschen; weil dieses Problem wird vermutlich bestehen bleiben. Allerdings ist hier auch der Staat und besonders die Justiz gefragt, dass sie angezeigte Drohungen auch ernst nehmen und die Leute verfolgen und ihnen einen Schuss vor dem Bug geben…ein Online-Verbot wäre eine Möglichkeit.