Preisumstellung bei Twitch schlägt hohe Wellen.

Am 06.August dieses Jahres hat Twitch die Abopreise auch in Europa angepasst. Die Preisumstellung bei Twitch für sogenannte Twitch Subs hat in der Community für reichlich Furore gesorgt. Diese kosten nun 3,99€ statt wie bisher 4,99€. Während die einen dies als Schritt in die richtige Richtung feiern, sehen vorallem viele kleine Streamer ihre Existenz in Gefahr.

Die Hintergründe der Preisumstellung bei Twitch

Twitch klopft sich derzeit selbst für den Preisnachlass auf die Schultern. “Dies helfe mehr Zuschauern dabei ihre lieblings Creator zu unterstützen.”; so Twitch in einem Tweet am 23.Juli. Und auf den ersten Blick scheint das auch zu stimmen. Der Erlös aus den Subs wird weiterhin 50/50 unter der Plattform und den Creatorn aufgeteilt.
Hat ein Streamer bis Ende Juli von jedem Sub 2,48€ bekommen (50% aus 4,99€ abzüglich einer Handlinggebühr) so sind es jetzt immer noch 1,98€ (50% aus 3,99€ abzüglich einer Handlinggebühr). Die Aufteilung der Einnahmen durch Subs hat sich also schon mal nicht verändert.

Was bisher aber nicht berrücksichtigt wird ist, dass Subs nicht einfach so entstehen und dann da sind, nur weil sie jetzt weniger kosten. Subs sind Beiträge die von Zuschauern stammen, die damit die Streamer unterstützen wollen, die sie für sehenwert halten. Jemand der bisher 5€ für ein Abo zur Unterstützung ausgegeben hat, wird die Differenz zum neuen Preis aber wohlkaum direkt spenden.

Twitch rechnet also bei der Preissenkung vorallem damit jene für ein Abo zu begeistern, die den bisherigen Preis als zu teuer empfanden. Aus Sicht des Unternehmens auch eine durchaus logische Überlegung. Jedoch baut diese Schlussfolgerung darauf, dass die nun zukünftig zahlenden Zuschauer bereits vorhanden sind und nur darauf gewartet haben die Brieftasche zu zücken. Das mag bei dem ein oder anderem auch so sein, jedoch zeichnet sich gerade bei kleinen Streamern derzeit ein anderes Bild ab.

 

Streamerstatus und Auszahlungsgrenzen

So wie wir auch werden die meisten unter euch, die öfter am PC oder der Konsole spielen, jemanden kennen der bereits Streamer ist oder werden will. Dann habt ihr sicherlich auch schon davon gehört, dass Twitch seine Creator in verschiedene Programme einteilt die man “durch eigenen Fleiss” erreichen und für sich arbeiten lassen kann. Die einzelnen Kategorien bringen verschiedene Optionen auf Übertragungsraten, Einnahmen und Content für die eigene Community mit sich.

So sind absoluten Neulingen auf Twitch z.B. gerade mal Streams mit 720p erlaubt. Auch ist man von Subs, Bits und Werbeeinnahmen ausgeschlossen. Manche Spiele bieten sogar die Möglichkeit einem Affiliate Einnahmen durch Ingame-Käufe durch Zuschauer zukommen zu lassen. Also so etwas ähnliches wie Amazon Affiliate-Links. Und der Gedanke mit Streaming auf Twitch Geld verdienen zu können, ist für den ein oder anderen sicherlich verlockend. Also kein Wunder dass so ziemlich jeder der auf Twitch unterwegs ist so schnell es geht in den Programmen aufsteigen will.


Doch was euch Twitch nicht erzählt ist: Nur weil man Affiliate ist, streamt, Subs, Bits und Werbeeinnahmen bekommt, heißt das noch lange nicht, dass man auch am Ende des Monats Geld in die Hand bekommt. Auszahlungsgrenze heißt das Zauberwort.

Twitch verlangt derzeit, dass Streamer zuerst einen Eigenanteil von 100€ erwirtschaften, bevor es in der Kasse klingelt. “Warum Eigenanteil?”; fragt ihr euch? Ihr müsst mit eurem Kanal 200€ in Subs, Bits und Werbeeinnahmen generieren, bevor ihr euren 50% Anteil bekommt. Also mit anderen Worten: Ich müsst eure Zuschauer dazu bekommen mindestens 200€ für euch auszugeben, bevor ihr überhaupt einen Cent davon seht.

Was hat das jetzt mit den neuen Preisen für Abos auf Twitch zu tun?
Nun, werfen wir noch mal einen Blick auf die Rechnung aus dem ersten Absatz. Bisher bekam ein Streamer knapp 2,50€ für ein Abo auf seinem Kanal. Jetzt sind es noch knapp 2€. Also 20% weniger. Diese 20% sind es, die gerade kleinen Streamern zu schaffen machen werden. Denn wenn wir uns die Grafik zum Affiliate Programm noch einmal anssehen; eine Community aus 50 Leuten gibt nicht auf einmal 20% mehr für einen kleinen Kanal aus.

Hiere eine abschließende Beispielrechnung die anhand der Auszahlungsgrenze verdeutlichen soll, wie viele Abos nun mehr geschlossen werden müssen, bevor die Creator auf Twitch ihren Anteil bekommen.

Bis Juli 2021 pro Sub 2,50€ an die Creator 40 Subs bis zur Auszahlung
Ab August 2021 pro Sub 2€ an die Creator 50 Subs bis zur Auszahlung

 

Der Unterschied von 10 Subs mag gering klingen. Doch gerade zu Beginn, während sich ein Kanal noch im Aufbau befindet, kann ein Creator froh sein, wenn es alle drei Monate zu einer Auszahlung kommt. Zukünftig werden die kleinsten auf Twitch also noch länger auf ihre Anteile warten dürfen.

 

Existenzangst bei Twitch Partnern

Bisher sprachen wir nur von kleinen Streamern, Affiliates und Auszahlungsgrenzen. Doch wie sieht die Sache aus wenn wir nicht mehr von einem Ziel von 100€ im Monat reden um ein wenig Taschengeld aus dem Hobby zu ziehen, sondern wenn man bereits den Status eines Twitchpartners besitzt, ein Kleingewerbe angemeldet hat und wir von einem Ziel von 1000€ zur Sicherung des Lebensunterhaltes ins Auge fassen? Eine Einbuße von 20% kann hier ganz schnell ans Mark gehen. Bleiben wir bei dem Beispiel von 1000€ als Ziel, hieße das, dass man schnellst möglich 100 weitere Abonnenten finden müsste.

Hat man den Schritt zum Twitch Partner geschafft, heißt das noch lange nicht dass man davon auch leben könnte. Da gehört schon eine eingeschworene Zuschauerschaft und der Mut zum Schritt in die Selbstständigkeit dazu. Wer dies gewagt und sich dazu entschieden hat eine Existenz auf dem eigenen Twitchstream aufzubauen, denkt bei Einnahmen nicht direkt an Geld das er in der Tasche hat, sondern an Dinge wie Krankenversicherung, Steuerabgaben, Rentenversicherung und und und.

Derzeit bietet Twitch noch eine Kompensatzion für alle Streamer an. Diese bemessen sich an den Einnahmen aus dem Monat Juli diesen Jahres. Der fehlende Betrag in den Einnahmen durch die gesunkenen Abopreise wird vorläufig noch von Twitch übernommen. Aber auf lange Sicht wird sich jeder Streamer nach alternativen, zusätzlichen Einnahmequellen umschauen, oder einen Weg finden müssen mehr Abos zu bekommen.

 

Die Konsequenz aus der Preisumstellung bei Twitch

Wir haben es eben schon erwähnt. Wer auf die Einnahmen durch Abos angewiesen ist, wird sich einen Weg überlegen müssen die ausfallenden 20% zu ersetzen. Einige Streamer sind jetzt bereits dazu übergegangen ihre Community auf Donations, sprich Spenden einzuschwören. Wer einen Sub auf meinem Kanal da lassen möchte um meine Emjois nutzen zu können darf das gerne weiterhin tun. Wer mich darüber hinaus unterstützen will, möge doch bitte vom Verschenken von Subs absehen und lieber über eine Spende nachdenken.; so der O-Ton in den meisten Communities.

Bisher war es mehr oder weniger üblich, sogenannte “Sub Bomben” zu spendieren, wenn man einen Streamer über den Wert eines Abos hinaus unterstützen wollte. Twitch hat hier direkt die passenden Pakete geschnürt und bietet den unkomplizierten Kauf von 1, 5, 10, 20, 50 oder sogar 100 Abos an, die dann zufällig unter den Zuschauern des Kanals verteilt werden. Die Nutzung der “Gifted Subs” (zu Deutsch; verschenkte Abos), könnte aber bald stark abnehmen.

Die Einnahmen eines Streamers auf Twitch sind nämlich nicht nur Abos, Bits und Werbung, die allesamt über Twitch abgewickelt werden. Einen großen Anteil haben auch Einzelspenden, oft im Bereich von 5€-25€. Diese gehen mit Abzug einer kleinen Gebühr je nach Dienstleister, mit selten weniger als 97% direkt in die Hände der Streamer und somit an Twitch vorbei. Das gefällt gerade jenen, die mit ihrem Geld explizit die Creator und nicht die Plattform unterstützen wollen. Und so werden, so zumindest unsere Vermutung, die meisten Streamer zukünftig dazu übergehen, ihre Communities auf Direktspenden anstelle von Sub Geschenken einzuschwören.

Ob dieses nun zu einem Problem für Twitch werden dürfte bleibt abzuwarten. Klar ist nur, dass wir von diesem Thema in Zukunft noch mehr hören werden.

Roland
Variety Gamer seit rund 20 Jahren. Bei allem zuhause was RPG-Elemente hat oder competitive ist. In der Freizeit auch gerne mal in Gambeson und Kettenhemd auf Larp-Events unterwegs. Allerdings bisher immer auf Seite der Schurken. *diabolisches Händereiben*