F: Wie war es, diese extrem schwierige Person zu spielen?
A: Es war nicht einfach, P.L. Travers gut genug kennenzulernen, um sie zu spielen. Ich brauchte ziemlich lange, um das zu schaffen, denn sie ist so kompliziert. Sie ist weder Fisch noch Fleisch. Manchmal stand sie ganz steif da, dann wieder nicht. Zum Beispiel hing sie in einem Moment ganz relaxed im Kimono herum, im nächsten Augenblick aber war sie total angespannt. Zu meinen Lieblings-Stories, gehört, dass Disney Pamela Travers nicht einmal zur Premiere eingeladen hatte. Doch sie fand es irgendwie heraus und ihr Agent bestärkte sie und sagte „Jetzt sei nicht albern. Natürlich gehst Du hin!“
Also tauchte sie dort auf und sah den Film. Sie schaffte es, sich zu beherrschen, marschierte aber danach sofort zu Walt Disney und sagte etwas in der Art wie „naja, ich bin ja froh, dass es ganz gut gelaufen ist. Aber es liegt noch einige Arbeit vor uns“ – in der Annahme, sie könne noch irgendeinen Einfluss darauf nehmen. Doch Walt Disney sagte bloß „Pamela, der Zug ist abgefahren.“ Und das war’s, es war vorbei. Das war bestimmt ein sehr schmerzhafter Moment für sie, denke ich, aber zugleich bedeutete es, dass sich das Buch gut verkaufte. Sie verdiente viel Geld damit, mehr, als jemals zuvor jemand für die Rechte an seinem Werk bekommen hatte. Damit hatte sie ziemlich gut ausgesorgt und vielleicht verspürte sie zumindest hin und wieder einen Hauch Dankbarkeit.
F: Wie erlebt P.L. Travers im Film den Kulturschock?
A: Unsere großartige Drehbuchautorin Kelly Marcel stellte sich vor, Pamela sei damals in Los Angeles gelandet und sei mit der Situation nicht zurechtgekommen. Dazu gehörte, dass das Licht sie an Australien erinnerte und sie sich emotional in das helle Wüstenlicht und damit in ihre Kindheitserinnerungen zurückversetzt fühlte. Und das macht sie psychisch fertig.
Gleichzeitig muss sie mit dieser Über-Kultur, mit all der für sie unehrlich wirkenden Freundlichkeit zurechtkommen und dem fast krankhaften Optimismus und etwas Unerhörtem, wie täglichem Sonnenschein. Das passte ihr absolut nicht. Als sie im Hotelzimmer ankommt, ist es vollgestopft mit Kuscheltieren, Früchten und Süßigkeiten und sie empfindet das absolut übertrieben, doch es war einfach Ausdruck äußerster Gastfreundlichkeit. Sie aber tritt ein und hält diese ganze Verschwendung, das dick Aufgetragene, einfach nicht aus. Sie hatte eine puritanische Seite, wollte aber gleichzeitig immer das Beste für sich und wie eine Königin behandelt werden. Das ist einer dieser Widersprüche, mit dem wir in unserem Film unseren Spaß hatten.
F: Paul Giamatti spielt den Chauffeur, eine fiktionale Figur. Welche Bedeutung kommt ihm in der Story zu?
A: Fast jede Figur in SAVING MR. BANKS basiert auf einer echten Person – einzig der Chauffeur ist zur Gänze Kellys Fantasie entsprungen. Und Ralphs Personenzeichnung ist absolut gelungen, brillant und integer dargestellt von Paul Giamatta, dessen großer Fan ich ohnehin bin. Er geht einem mit seiner extrem guten Laune sofort auf die Nerven und über lange Strecken behandelt ihn Pamela unfassbar unhöflich. Aber das perlt an ihm ab, denn er nimmt es nicht persönlich. Langsam ändert sich diese Haltung aber, denn er fährt sie schließlich täglich. Mit seiner ehrlich empfundenen Bescheidenheit und dem Respekt gegenüber seinen Mitmenschen gewinnt er schließlich selbst Pamelas Herz.
Auch wenn nie ein sentimentaler Ton mitschwingt, ist diese Beziehung der beiden die einzige offensichtliche Zuneigung, die Travers gegenüber Amerika zeigt. Das ist die einzig wahre menschliche Verbindung. Und deshalb ist sie so wichtig. Diese versteckten Momente drücken aus, was man über diese Frau wissen muss, dass sie nämlich ganz und gar nicht hartgesotten ist, sondern voller Gefühle steckt. Sie war ständig auf Konfrontation aus. Es war, als blickte sie in ein Kaleidoskop und würde die Welt nicht mehr klar erkennen. Also verbarg sie sich hinter einer Mauer aus Geheimnissen und ihren erfundenen Geschichten.
Nur in diesen Geschichten fühlte sie sich sicher, und so geht es auch vielen anderen Autoren. Sie fühlte sich nicht nur in ihren Mary Poppins-Stories sicher, sondern auch in dem Mythos, den sie um sich herum gesponnen hatte. Damit gab sie dem fragmentierten Puzzle namens Leben Sinn. Das Leben ist eine Abfolge von Einzelmomenten, die wir zu Mustern gruppieren und einen Rahmen darum bauen. Genau das tun wir, wenn wir Geschichten erzählen. Wir kreieren unsere Lebensgeschichte aus dem, was uns wichtig ist. Pamela hat das verstanden. Was nicht bedeutet, dass sie weniger einsam oder weniger zornig gewesen wäre, aber dennoch verstand sie Ralphs Geschichte.
F: Also ging ihr Ralph ans Herz, aber der legendäre Charme von Walt Disney prallte an ihr ab?
A: Ja, mit Charme konnte Pamela oft nichts anfangen. Sie mochte die Männer und war auch lange Zeit in einen sehr charmanten Man verliebt. Sie liebte irische Charmeure und es gibt niemanden charmanteren als die Iren… schauen Sie sich nur Colin Farrell an! Walts Charme konnte sie offensichtlich leichter widerstehen. Er war ihr nicht intellektuell genug. In der Hinsicht war sie ein echter Snob. Daran gibt es nichts zu Rütteln – außerdem war sie tatsächlich eine extrem originelle, kluge und talentierte Person.
F: Könnte man sich statt Tom Hanks jemand anderen in der Rolle von Walt Disney vorstellen?
A: Nein, das fällt schwer. Wir kennen uns schon lange und als ich die Rolle bekam, rief ich ihn an und sagte „das ist ja absolut perfekt!“ Disney fasziniert Tom schon lange und er weiß viel über ihn. Irgendwie sind sie sich auch ähnlich – ihre andauernde Beliebtheit, die Bodenständigkeit und ihr umwerfender Charme.