Indie-Games – Was steckt hinter dem Hype (Special)

Indie ist modern, Indie ist gut und Indie generiert über Crowdfunding mittlerweile sogar nennenswertes Kapital. Die Frage ist, ob der Indie-Hype nur ein kurzer Trend ist oder ob wir vielleicht sogar gerade miterleben, wie die großen Publisher sukzessive an Marktmacht verlieren. Zuallererst: Was ist eigentlich Indie?

Genauso wie es in der Musikszene  kompliziert ist, Indie exakt zu definieren, muss auch in der Spielebranche genau hingeschaut werden. Ist das nur für die PlayStation3 erscheinende Journey kein Indie-Game, weil der Entwickler thatgamescompany einen Exklusivdeal mit Sony hat? Obwohl das Spiel offenbar einiges von dem bietet, was wir von Indie-Games erwarten – wie zum Beispiel ein innovatives Spielkonzept, Retro-Grafik und eine Story abseits des ausgelutschten Mainstream-Allerleis – und zudem für ein schmales Budget zu haben ist, kann man es zurecht NICHT als Indie-Game bezeichnen. Wir machen es trotzdem, weil thatgamecompany als Unternehmen nicht zu Sony gehört und künftig die Freiheit hat, ihre Produkte auf allen Plattformen zu veröffentlichen. Vor allem ist Journey vom Gameplay und der Spielerfahrung her eigenständig. Kein Klon von irgendetwas, sondern für sich alleinstehend.

Das nächste und ebenso knifflige Beispiel ist das berauschende Dear Esther, das exklusiv auf Steam nur für den PC erhältlich ist. Auch hier geht es um eine Reise – nur erlebt sie der Gamer eher, als dass er aktiv eingreift. Dafür fordert Dear Esther den Spieler weit mehr auf einer anderen Ebene: es ist abstrakt, mysteriös, episch und nicht einfach zu folgen. Und es wurde von einem Studio entwickelt, dass finanziell nicht durch einen Exklusivdeal abgesichert war. Steam mag nicht jedermanns Sache sein, aber als Vertriebsplattform für Indie-Entwickler ist es aus Kostengründen ein Segen. Dear Esther trifft nur den Geschmack einer Gamer-Minderheit, ist kreativ, famos erzählt, unabhängig finanziert – abgesehen von der fantastischen Grafik können wir also hinter jedes Indie-Defintionsmerkmal ein Kreuzchen machen. Trotzdem: Für viele kann ein exklusiv auf Steam erscheinendes Spiel per se nicht Indie sein. Auch dieser Ansicht kann man folgen.

Also dann eben Tim Schafer und sein neues Adventure, für das er über Kickstarter sensationelle 3,3 Millionen US-Dollar einsammelte. Das klingt in der Tat nach Indie. Ein Old-School-Adventure, dass kein Publisher finanzieren wollte, wird nun durch freiwillige Investitionen unzähliger Gamer und einiger führender Branchenköpfe tatsächlich realisiert. Hoffen wir, dass dieses Crowdfunding wirklich funktioniert und ein anderes Indie-Kriterium nicht verletzt – nämlich die kreative Unabhängigkeit. Auch der Crowdfunding-Schwarm hat seine Anforderungen. Sie werden vielleicht nicht so druckvoll vorgetragen, wie man es den großen Publishern wie etwa Electronic Arts oder Activision unterstellt, aber unterschwellig wird die große Erwartungshaltung an ein neues und natürlich noch besseres Grim Fandango-Feeling am Entwickler nagen. So unabhängig Tim Schafer nun finanziell erst einmal sein mag, so fest sind ihm die Hände in der Entwicklung gebunden. Vielleicht machen er und sein Team sich von diesem Druck frei, es wäre ihnen zu wünschen.

Heißt Indie eigentlich, dass es eine kleine Entwicklerbutze sein muss? Was ist eigentlich mit Codemasters? Die sind doch finanziell unabhängig und ein eigenständiges Unternehmen, das so tolle Rennspiele wie die Dirt-Serie entwickelt. Und übrigens aktuell auch die Formel 1-Spiele und früher die DTM-Reihe, also sehr verstärkt auf lizenzierte Franchises setzt. Ist das dann noch Indie? Unserer Meinung nach nicht und hier spielen die Finanzen eher eine untergeordnete Rolle: Wer ein Formel 1-Game entwickelt, muss auf die Belange der Lizenzgeber eingehen und inhaltliche Vorgaben einhalten. Das betrifft die Markentreue ebenso wie das Gameplay. Ein Formel 1-Spiel muss jederzeit die Rennserie entsprechend repräsentieren und für jeden Fan generell durchspielbar sein. Hier sehen wir keine Unabhängigkeit in der Spielentstehung und -gestaltung, was aus unserer Sicht eher das Argument ist, Codemasters nicht der Indieszene zuzurechnen, als die Tatsache, dass sie einen Blockbuster nach dem anderen produzieren. Das sollte aus unserer Sicht kein entscheidendes Kriterium sein:

Denn Games wie Dear Esther und Journey kann man nur die Daumen drücken, damit sie hochgradig rentabel werden und andere Entwickler dazu inspirieren, hochwertige eigenständige Spiele zu entwickeln und zu vertreiben. Nur dann ist Indie mehr als ein Trend, sondern ein Qualitätsbegriff.

In Zusammenarbeit mit gameexperience.de

Maurice
Ich selbst war schon vor einigen Jahren leidenschaftlicher Redakteur für diverse Gaming-Magazine gewesen, mein Weg hat mich dann letztendlich doch zu Game2Gether geführt und das war auch gut so. Der Zeit verschuldet kümmere ich mich aktuell jedoch "nur" um unseren Promi-Talk und oder diverse Tests, auch unser vorübergehend erschienenes Online-Magazin wurde von mir betreut und gepflegt!