Mantis Falls – Vorschau

    Spiele mit einem (oder mehreren) Verräter erfreuen sich größter Beliebtheit: Werwolf, Mafia, Der Widerstand, oder auch mehr involvierte Spiele, wie Battlestar Galactica. Alle diese Spiele aber haben gemeinsam, dass sie mehr als 2 Spieler benötigen – es ist nicht schwer, einen Verräter im Team zu finden, wenn das Team aus 2 Personen besteht. Oder doch? Mantis Falls von Distant Rabbit Games versucht, diese Herausforderung zu lösen – was, wenn ein kooperatives Spiel nur vielleicht kooperativ ist?

    Mantis Falls: Spielbeginn
    Das Spiel hat gerade begonnen. Ein langer Weg bis zum Ende der Straße liegt vor uns.

    Abschaum und Verkommenheit

    Mantis Falls spielt in der gleichnamigen, fiktiven Stadt um 1940. Hier herrscht die organisierte Kriminalität, und ihr wart zur falschen Zeit am falschen Ort und habt etwas gesehen, was ihr nicht hättet sehen sollen. Mit kriminellen Auftragsmördern dicht auf den Fersen müsst ihr den Weg aus der Stadt hinaus überleben – aber könnt ihr sicher sein, dass euer Begleiter nicht einer der Killer ist?

    Mantis Falls: Rollenkarte
    In diesem Spiel sind wir ein Zeuge. Wir müssen überleben und das rettende Ende der Straße erreichen.

    Im Kern ist Mantis Falls ein kooperatives Spiel. Die Spieler ziehen abwechselnd durch die abendlichen Straßen der Stadt, die zunehmend gefährlicher werden, und müssen zusammen gegen unangenehme Ereignisse ankommen und mit Feinden kämpfen, die nichts lieber wollen, als die eh schon knappen Lebenspunkte der Spieler zu reduzieren. So weit nichts Besonderes, wären da nicht die Rollenkarten, die die Spieler zu Beginn des Spiels erhalten haben – es kann nämlich durchaus sein, dass einer ein Auftragsmörder ist, der dafür sorgen soll, dass der Zeuge einen bedauernswerten Unfall erleidet. Aber halt: Wer einfach wild draufloschießt, erlebt vielleicht sein blaues Wunder, denn der Zeuge – und nur der echte Zeuge – kann mit einem einfachen Anruf seinen Gegner zur Strecke bringen lassen. Aber halt zum zweiten mal: Wenn der Zeuge einen anderen Zeugen umbringen lässt, haben beide das Spiel verloren.

    Mantis Falls: Weißer Spieler
    Der weiße Spieler ist auf dem Weg. Auf diesem Straßenabschnitt gibt es ein Telefon, das ihm zum Beispiel erlaubt, Verbündete anzurufen – oder einen Mord an Schwarz zu beauftragen.

    Gefahren an jeder Ecke

    Den Kern des Spiels bilden die Ereignisse, welche jede Runde entweder offen oder verdeckt ausgespielt werden. Die verdeckten Ereignisse führen hier zu den interessantesten Runden: Nur einer der Spieler weiß nämlich, was tatsächlich passiert. Die Anforderungen sollte er seinem Mitspieler nennen – aber beweisen muss er gar nichts. Hier hat ein Attentäter die Möglichkeit, den Zeugen dazu zu bringen, wertvolle Karten einzusetzen, obwohl die Bedrohung nur gering ist, oder Schaden mit Verweis auf das Ereignis nachteilig zu verteilen. Natürlich hat der andere Spieler keinen blassen Schimmer, was wirklich auf der Karte steht – ist die Karte tatsächlich so negativ? Will ich mich darauf einlassen, meinem Gegenüber zu vertrauen? Was, wenn mein Gegenüber auch Zeuge ist, aber mir nicht vertraut? Unsichere Freunde können gefährlicher sein als versteckte Feinde…

    Mantis Falls: Ereigniskarte
    Dieser Gangster greift beide Spieler ganz offen an. Jetzt ist Teamwork gefragt – oder Hinterlist.

    Nicht nur die Ereignisse erhöhen die Anspannung: Je weiter wir uns durch die Straßen von Mantis Falls bewegen, desto später wird es. In der Dunkelheit lauert die Gefahr, zum Beispiel in Form von Hinterhalten, die jeden, der das Feld betritt, einen Teil seiner Lebenskraft kostet. Bis der Zeuge – oder die Zeugen – das rettende Endfeld erreicht, muss er oftmals abwägen, in wie weit er seinem Mitspieler vertraut, und nicht selten ist es nötig, sein Schicksal voll und ganz in die Hände des Gegenüber zu geben.

    Das Spiel neigt sich dem Ende zu. Weiß glaubt, dass Schwarz, so wie er selbst, ein Zeuge sei und möchte ihm helfen, zum Ende der Straße zu gelangen.

    Fazit

    Es ist beeindruckend, wie erstaunlich intim Mantis Falls zwei Personen zusammenbringt. Hier haben wir kein Spiel, um sich zwischendurch zu entspannen – die emotionale Belastung ist nicht zu unterschätzen und zumindest mir persönlich in so einer extremen Form noch nicht bei Gesellschaftsspielen untergekommen. Mantis Falls ist eine Erfahrung, die sich nur schwer durch Regelbeschreibungen ausdrücken lässt. Für Liebhaber von Hidden Traitor – Spielen kann ich hier uneingeschränkte Kaufempfehlung geben: Eine solche Unsicherheit und Notwendigkeit von bedingungslosem Vertrauen hat mir noch kein anderes Spiel geliefert. Meisterhaftes Spieldesign und atmosphärisches Artwork kommen hier zusammen und resultieren in einem Spiel der Extraklasse. Wer aber ein wenig Unterhaltung für Zwischendurch sucht, wird hier wohl überfordert sein.

    Mantis Falls wird ab dem 31.3.2020 über die Kickstarter-Kampagne verfügbar sein.

    Patrick Gerk
    Ich habe Ende der 80er mit meinem Amiga angefangen und seitdem haben Videospiele einen permanenten Platz in meinem Herzen. Ich mag alles, was Leute zum spielen zusammenbringt, sei es analog oder digital. Seit Ende 2018 schreibe ich für Game2gether.de und konzentriere mich auf Retro- und Koopspiele.